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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

hatte ein gutes Gewissen. Fassungslos schluchzte Mutter Greetsche. Der Dumpje-Wirt war nicht gekommen. Unsicher schritt Vater Zehse neben seiner Tochter her. An ihrer Seite hielt sich Grendsche-Jehkab.

Er war bleich. Seine Haare klebten an seiner Stirn. Un­ruhig suchend gingen seine Augen hin und her. Er redete auf Linda Zehse ein und lachte, – lachte verwirrt und gezwungen.

Da trat Darthe Semmit vor. Furchtlos blickte sie ihm in die Augen.

„Schuft!“ sagte sie laut und ruhig.

Ihre Stimme war hart wie klingender Stahl.

„Du Schuft!“ wiederholte sie zum zweiten Male langsam und deutlich.

Er stürzte sich mit geballten Fäusten auf sie.

„Rühre mich nicht an!“ gellte sie, „oder ... ! Ich bin zu gut für deine feigen ...“

Sie sprach das letzte Wort nicht aus, aber ihre Drohnung war so wild, der Ton ihrer Worte so grauenvoll, daß er zurückprallte.

Er erzwang ein schallendes Gelächter.

„Darthe Semmit ist verrückt geworden!“ schrie er. „Aus unglücklicher Liebe! Vorwärts – lassen wir sie laufen!“

Mit einer prahlerischen Gebärde schob er die leere Luft gleichsam von sich.

Aber Darthe hatte sich schon abgewendet. Mit düster ge­senktem Kopf schritt sie unbehelligt nach Hause. –

Empfohlene Zitierweise:
Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 276. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/272&oldid=- (Version vom 1.8.2018)