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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

sorgenvolle Mienen. Mit unverhohlenem Mißtrauen betrachtete jeder Nachbar den andern: war er der Verräter? Wer hatte die Dragoner so rechtzeitig gerufen? Sie waren am Tage vor dem angesetzten Datum des Brandes eingetroffen. Ja, es gab einen Verräter unter ihnen.

Und allmählich wurden murrende Stimmen laut, die sich gegen den rätselhaften Mord des Barons aussprachen, die den Fall beklagten. Der Mörder hatte ihnen allen durch seine unbe­dachte verfrühte Freveltat die Rechnung verdorben. Er trug die Schuld, daß man der ganzen Gemeinde diese Dragonerspürhunde auf den Hals gehetzt hatte. Er allein. Aber wer war der Mörder? Ja, wer war er?

Darthe wußte es, und seit einer Stunde wußte es noch ein anderer, der kommandierende Offizier, und bald, bald würde es die ganze Gemeinde wissen.

Sie hatte sich bei dem Offizier Einlaß verschafft und hatte ihm den Tatbestand knapp und klar berichtet. Dann war sie ge­gangen. Und nun stand sie an der Stelle, wo der Mord geschehen war, fest in ihr Umschlagetuch gehüllt, und starrte auf das glitzernde Eis des gefangenen Flusses nieder. Hier war ihres Bleibens nicht länger. Was weiter geschah, wollte sie nicht sehen, nicht wissen.

Sie hatte nur noch ein Ziel. Baroneß Marga. Aber noch gestern hatte ihr Mauschen im Pastorat erzählt, daß die Baroneß mit ihrer harthörigen Tante fortgezogen sei, nach Mitau.

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 278. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/274&oldid=- (Version vom 31.7.2018)