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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

„Ich muß ihn selbst sprechen,“ sagte der Alte, sah das Brautpaar unter buschigen weißen Brauen durchdringend an und ging an ihnen vorüber.

„Der sieht ja aus wie das leibhaftige böse Wetter!“ flüsterte Claire und sah der mächtigen Gestalt des Bauers nach. Ein wenig gebückt stützte er sich auf seinen Stock und schritt kraftvoll weiter.

„Es ist ein überaus tüchtiger Mann, Robert hält große Stücke auf ihn. Er nennt ihn den alten Nestor.“

„Nestor sah aber greulich unheimlich aus, vielleicht bringt er schlimme Nachrichten,“ sprach Claire besorgt. „Laß uns rasch nach Hause gehen.“

Sie beschleunigten ihre Schritte und kamen leise in den Hausflur, während der Gemeindeälteste von der Rückseite des Hauses in Pastor Bergers Amtsstube trat.

„Sieh da, mein lieber alter Krimpe!“ rief der Pastor erfreut. – „Hör’ mal, Philippi! Bist du da? Komm doch meinen alten Krimpe begrüßen! – Was führt Euch zu mir? Hab’ Euch lange nicht gesehen, nehmt Platz, lieber Freund!“

Zögernd trat Ernst Philippi in die Amtsstube. Gemessen begrüßte ihn der Gemeindeälteste.

Des Alten markiges Gesicht, das wie im Winterfrost erstarrt war, taute allmählich auf, als habe die warme Sonne es berührt. Aus seiner Rocktasche nahm er bedächtig ein geblümtes Tuch, fuhr sich damit über die Stirn und sah den Pastor mit

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/62&oldid=- (Version vom 1.8.2018)