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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

„Aber ja, natürlich!“ rief der Baron, noch ganz verblüfft. „Nein, nein, sind Sie ein Künstler, ein echter Künstler!“ Es wurde ihm ordentlich schwer, sich von Philippi zu trennen. „Daß ich Sie nicht meiner Schwester Claudine vorstellen kann!“ sagte er betrübt. „Sie ist leider ausgefahren.“

Es dunkelte bereits, als der Kandidat seinen Heimweg antrat. Ein leiser Abendwind hatte sich erhoben. Die Tannenbäume hatten den Winter wieder abgeschüttelt und standen ernst und feierlich in ihrem dunkelgrünen Kleide. Leise senkte die Dunkelheit ihren düstern Mantel über den schweigenden Forst und öffnete weit und fragend ihre schwarzen Augen. Eine tiefe Wehmut von schmerzlicher Süßigkeit füllte des einsamen Mannes Seele, und gläubig dehnte sie sich empor zu dem Lenker aller Dinge. Schon kroch die Flamme des Aufruhrs leise glimmend immer näher und näher. Wie lange noch, und das Häuflein Deutscher stand wehrlos auf brennendem Boden.

„Schütze unser armes Land, großer Gott!“ flüsterten seine Lippen. Halb unbewußt und aus der Tiefe seines Herzens seufzte er: „Und schütze Claire!“

So, als hatte ein magnetischer Rapport Claire in seine Nähe gezaubert, stand ihre leichte biegsame Gestalt plötzlich im Waldesdunkel vor ihm und breitete ihre Arme nach ihm aus.

Er schrak zusammen. „Kind, was suchst du hier allein im Walde?“ fragte er mit bebender Zärtlichkeit im Ton.

Sie schwang sich auf die Reitdroschke hinter ihn und barg

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/77&oldid=- (Version vom 1.8.2018)