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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

ihr Gesicht an seiner Schulter. „Du bliebst so lange fort,“ murmelte sie, „ich ... ich war so bange nach dir. Wo warst du nur?“

„Ich habe einige alte Bekanntschaften erneuert,“ sagte er leichthin.

„Und weiter nichts?“ fragte sie ernsthaft.

Er zögerte einen Augenblick. „Doch,“ gestand er. „Ich habe einige Gutsherren um ihren persönlichen Schutz für Robert Berger gebeten. Ihm droht ein Überfall während des Gottesdienstes.“

Sie atmete tief. „Mir ahnte nichts Gutes,“ sagte sie. „Er war so sonderbar zärtlich gegen die Kleinen heute und ließ seine Frau den ganzen Tag nicht aus den Augen.“ Sie brach in ein heftiges Schluchzen aus. „Die arme, arme Frau!“ stöhnte sie.

„Ob sie etwas ahnt?“

„Eine allgemeine Gefahr vielleicht, doch ist sie zu fest von der Liebe und Anhänglichkeit der Gemeinde zu Pastor Berger überzeugt. Ach, Ernst ...“

„Liebe ist Mut!“ sagte er. „Dein schönes Wort hat mir auf der ganzen Fahrt das Geleit gegeben.“

Sie trocknete ihre Tränen und lächelte wieder. „Und dir ist nichts passiert?“ fragte sie.

„Wie du siehst, bin ich heil und ganz. Ein paar betrunkene Kerle johlten mich an.“

Sie streichelte seinen Arm. „Und du bist derselbe schwäch­liche

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/78&oldid=- (Version vom 1.8.2018)