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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

„Aber warum nicht?“ fragte die Pastorin und riß ihre großen Kinderaugen weit auf. „Gerade heute wollte ich gehen. Ich habe freilich ein wenig Kopfschmerz.“

„Eben darum sollst du zu Hause bleiben. Lebe wohl, Lieb!“ Er küßte sie.

Warum nur hatte seine Stimme gezittert? Eine seltsame Unruhe ergriff die Frau.

Sie stand am Fenster und blickte der hohen gebietenden Gestalt ihres Mannes nach, wie sie langsam über die Wiese der Kirche zuschritt.

Der Glockenläuter hatte den Pastor schon gesehen, denn soeben begann er andauernd zu läuten. Es schienen ungewöhnlich viele Menschen auf dem Kirchenplatz vor dem Kruge versammelt, Isa Berger begann mechanisch die Fuhrwerke zu zählen, immer wieder mußte sie von vorn beginnen, es wimmelte auf dem Platz wie in einem Ameisenhaufen. Kein Wunder, daß die Leute von nah und fern herbeieilen, um meinen Mann zu hören, dachte sie stolz, wer ist denn auch wie Robert!

In diesem Augenblick trat Claire in die Stube. „Darf ich Sie bitten, Frau Pastorin,“ sagte sie schüchtern, „mir eine Stelle aus dem Englischen übersetzen zu helfen? Sie ist mir nicht recht verständlich.“

„Gern, liebes Fräulein, geben Sie nur her.“

„Sie sehen angegriffen aus, Frau Pastorin,“ sagte Claire teilnehmend. „Kommen Sie auf Ihr Zimmer, da legen Sie sich

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/81&oldid=- (Version vom 1.8.2018)