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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

von Claire bei der Pflege helfen und schicken Sie den Kutscher nach dem alten Krimpe, auf den können Sie sich verlassen.“

Es war zehn Uhr abends, als Ernst Philippi in einem kleinen einspännigen Schlitten in den Wald hineinsauste. In den letzten Tagen war tiefer Schnee gefallen, jetzt knirschte der Frost unter den Kufen des Schlittens. Eine klare kalte Winternacht voll glänzender Sterne hing über den schweigenden weißen Bäumen. Hoch in unendlicher Ferne stand der blasse Mond mit seinem runden Silbergesicht und wunderte sich über den einsamen Mann, der in so unvernünftiger Eile durch den Forst jagte. Ernst Philippi nickte ihm zu. „Ja du,“ murmelte er, „du hängst da in deiner kühlen luftigen Höhe und weißt nicht, wie bang und heiß uns Menschenkindern zumute sein kann!“

An der Forstei vorüber flog der kleine Schlitten, wieder schlug der Hund an, und wieder leuchtete es wie vor zwei Monaten durch die jetzt verschneiten Büsche. „Hussa, Presto, vorwärts!“ rief Ernst Philippi und schwang die Peitsche. Er war wie im Fieber. „Hier war’s,“ sagte er halblaut, „wo man eine Strecke abschneiden konnte, wenn man quer über’s Feld ging.“

Rasch bog er von der Hauptstraße ab und fuhr über den verschneiten Graben auf die Wiese. Eine baufällige Heuscheune stand melancholisch einsam mitten auf der silberglänzenden Fläche. An der Scheune vorüber mußte er – ja, so war’s. Durch flockige vorüberfliegende Wolken lugte der Mond, und eine große einsame Stille schärfte die wachsamen Sinne des jungen Mannes. Sein

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/91&oldid=- (Version vom 31.7.2018)