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Franz Delitzsch: Die bayerische Abendmahlsgemeinschaftsfrage. Ein Anfang eingehender Erörterung

richten und umgestalten. So weit sie nicht sich selber vergessen und verloren hat, ist diese gesunde Lehre das Band ihres Gemeinwesens, das Vorbild ihrer Praxis, die Voraussetzung ihrer Wissenschaft. Unser Kirchenlied, unsre Kirchenordnungen, unsre ascetische Literatur, unsre alte Theologie mit der Fülle ihres geistlichen Lebens selbst in harter und rauher scholastischer Form – das sind ihre Früchte. Liest man auch Trauben von den Dornen und Feigen von den Disteln?

 Ists denn also starrer Eigensinn, wenn die lutherische Kirche an ihrem Bekenntniß festhält, wenn sie es für ihr theuerstes Kleinod achtet und jedes gleichgültige Verhalten gegen dasselbe als Verkennung und Verwahrlosung ihres Berufes, als Undankbarkeit gegen Gottes Gabe ansieht? Ists gemeiner Haß, übertriebene Hartherzigkeit, wenn sie denen, welche kein freudiges Ja zu ihrem Bekenntnisse zu sagen vermögen oder ihm keine praktische Folge geben wollen und die Unterschiede beider protestantischen Kirchen für unwesentlich halten, die Hand der Gemeinschaft verweigert? Wehe ihr, wenn sie in fleischlichem Trotz den Streit lieber hätte als den Frieden, wenn sie diejenigen haßte, welche mit ihr durch Wort und Sacrament in Ein Leben aus Gott gezeugt sind und mit ihr zu den Füßen Eines Herrn anbeten! Nein, wenn sie auf ihrem Bekenntnisse besteht, so thut sie es aus Liebe zu denen, welche noch nicht dieses Glaubens und Bekenntnisses sind, damit sie es werden. Aus Liebe zu ihren miterlöseten christlichen Brüdern wehrt sie, an ihrem Bekenntnisse haltend, dem Selbstbetruge und der Lauheit, der Religionsmengerei und dem Indifferentismus. Aus Liebe verlangt sie, daß die sich zu ihr gesellen wollen durch die Thüre dieses Bekenntnisses eingehen, und nicht diese um ihr Gemeinwesen und ihre Heiligthümer gezogene Mauer übersteigen. Ihre Liebe hat überdies an dieser Mauer keine Grenze. Sie erkennt das Werk der Gnade auch außerhalb ihrer selbst überall an wo es sich zeigt, freut sich seiner und segnet es. –

Empfohlene Zitierweise:
Franz Delitzsch: Die bayerische Abendmahlsgemeinschaftsfrage. Ein Anfang eingehender Erörterung. Theodor Bläsing, Erlangen 1852, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Franz_Delitzsch_-_Die_bayerische_Abendmahlsgemeinschaftsfrage.pdf/18&oldid=- (Version vom 10.11.2016)