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Franz Delitzsch: Die bayerische Abendmahlsgemeinschaftsfrage. Ein Anfang eingehender Erörterung

 Aber ist es nicht lieblos, Reformirte oder Unirte, welche in unsrer Kirche communiciren wollen, von der Communion auszuschließen? Soll die Unruhe und der Lärm des Streites der Kirche bis in ihr friedliches Allerheiligstes, das Sacrament des Altars, dringen? Es ist ja ein Mahl der Liebe. Es ist ja der Tisch des Herrn, nicht der Tisch der Kirche.

 Hierauf geben wir vorerst (wie schon im Mecklenburgischen Zeitblatt 1850. Nr. 4.) die bestimmte historische Antwort: die Nichtzulassung Reformirter zum Abendmahl war von jeher in unsrer lutherischen Kirche, so weit sie sich von philippistischem Synkretismus rein erhielt, allgemein gültige Kirchenpraxis. Wir werden dies in einem Anhange, soweit uns vorjetzt die Belege dafür zugänglich sind, beweisen.

 Es ist ferner bekannt, daß unsre Kirche um die reine Lehre vom heil. Abendmahl einen Jahrhunderte langen Kampf bis aufs Blut gekämpft hat. Die Abendmahlslehre ist dadurch unendlich hoch über alle Mitteldinge (Adiaphora) emporgerückt worden. Sie ist das Schibbolet der Kirche geworden, an dem sie erkennt wer mit ihr und wider sie ist. Ihre Eigenthümlichkeit geht zwar in der Abendmahlslehre nicht auf, aber sie concentrirt sich darin. Die reine Rechtfertigungslehre gegenüber der römischen Kirche, und die reine Abendmahlslehre gegenüber der reformirten Kirche – das sind die beiden Herzkammern lutherischen Wesens.

 Wie konnte und wie kann die Kirche bei dieser Wichtigkeit der Abendmahlslehre an sich und bei dieser Wichtigkeit, welche dieselbe für sie im Laufe einer dreihundertjährigen mit Schweiß und Blut und Thränen getränkten Geschichte erlangt hat, gleichgültig dagegen sein, ob derjenige der in ihren Gemeinden zum Abendmahl gehen will die rechte schriftgemäße Erkenntniß vom Sacramente des Herrn habe oder nicht! Sie würde, wenn sie Reformirte mit zwinglischer oder calvinischer Lehre, Unirte mit ihrer die Unterscheidungslehren indifferenzirenden Ansicht zum Tische des Herrn zuließe, die Waffe der Väter bei Seite legen,

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Franz Delitzsch: Die bayerische Abendmahlsgemeinschaftsfrage. Ein Anfang eingehender Erörterung. Theodor Bläsing, Erlangen 1852, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Franz_Delitzsch_-_Die_bayerische_Abendmahlsgemeinschaftsfrage.pdf/19&oldid=- (Version vom 10.11.2016)