Seite:Franz Kampers - Kaiser Friedrich II - Der Wegbereiter der Renaissance - Seite 76.jpg

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wieder ihr Recht verlangte. Ob Friedrich selber über verständnisvolle Anregung hinaus sprachschöpferisch tätig war, das ist nicht zu erkennen.

Abb. 71. Castell del Monte. Außenansicht. Aufnahme Alinari, Florenz

War der Kaiser überhaupt ein Neuschöpfer?

Mit seiner Forderung: Sieh die Dinge, wie sie sind, wuchs er in der Tat in das Riesengroße eines Schöpfers, der den Naturwissenschaften ihr: Es werde! zurief. Sonst aber ist er mehr Vollender oder Wegbereiter als Neugestalter. Sein gewiß monumentales sizilisches Gesetzbuch ist ohne die weise Vorarbeit seiner normannischen Ahnen undenkbar. Erst deren verständnisvolle Pflege der in Sizilien vorgefundenen Kulturen ermöglichte es ihm, mit durch diese sichtig gewordenen Augen das gelobte Land der antiken Schönheit und Großheit für die Nachgeborenen zu entdecken, das er selbst freilich nur von weitem sah. Dem bald alles umstürzenden Ruf nach Reform hat Friedrich nur Nachdruck und Stärke verliehen. Die Größe dieses Kaisers liegt darin, daß er die lebenzeugenden Elemente der Mischkultur seines Königreiches in seiner allseitigen Persönlichkeit zusammenfaßte. Indem dieser Sizilianer Jahrzehnte lang die Augen der Welt auf sich zog, wirkte er für die west-östliche Kultur, deren Träger er war, beeinflußte er das Geistesleben des Abendlandes, wies er den Weg zum „Neuen Leben“ der Renaissance, aber auch zum deutschen Geistesfrühling des vierzehnten Jahrhunderts und zur Epoche der Reformation.


VIII. Der Mythus vom Kaiser Friedrich

Er, der mit vollen Zügen die belebende Luft des frischen, prangenden Morgen der Renaissance einsog, der schwärmerische Cola di Rienzo mit den Feueraugen und der Glutseele, erschien seinem großen Lobredner Petrarca als Träger der Zukunftshoffnungen seiner Tage. Ein goldenes Zeitalter der Gerechtigkeit, des Friedens, der Freiheit, das dereinst, wie der große Humanist mit Dante und vielen seiner Zeitgenossen wähnte, in der Ära des Augustus Wirklichkeit