Seite:Franz Kampers - Kaiser Friedrich II - Der Wegbereiter der Renaissance - Seite 79.jpg

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im Abendlande, die so lange wundersüchtig erhalten wurden und deren Phantasie plötzlich der Fesseln ledig und durch die Zauberwelt des Orient überreizt ward, sahen in dieser Vergottung des kaiserlichen Heros mehr als bloße dichterische Überschwenglichkeiten. Der in Italien sich bildende Mythus von dem übermenschlichen Titanen Friedrich, den das Göttliche umstrahlt, war ganz nach dem Herzen dieser nach dem Seltsamen, Fernen, Großen sehnend ausschauenden Zeit.

Abb. 74. Foggia. Inschrift oberhalb des Tores des Schlosses Friedrichs II. Nach Haseloff, Bauten der Hohenstaufen in Unteritalien. Leipzig, K. W. Hiersemann

Das allgemeine Hoffen der Zeit auf ein Neuwerden der Welt, die erwachende Teilnahme des Italieners für die nationale Größe seines Volkes unter den römischen Augusti haben diesen Friedrich-Mythus geschaffen. Nicht das überirdische Licht der himmlichen Seligkeit, sondern der goldene Glanz des irdischen Paradieses, das sich nach dem Zeitglauben im Rom des Augustus mit seinen schönen, adligen und königlichen Menschen darstellte, strahlt von ihm aus. Wie anders zuvor! – Nur zu oft hatten früher die Kassandrarufe der Sibylle die Gemüter geschreckt. Bald dieser, bald jener Kaiser wurde als Vorläufer der Endzeit mitten hineingestellt in das überkommene Bild der letzten Dinge der Welt. Mit den sich vererbenden typischen Wendungen hatten Anhänger Joachims von Fiore auch Friedrich II. zu Lebzeiten als „Hammer der Kirche“, als Antichrist eingespannt in diese Apokalyptik. Die an des Staufers Person sich heftenden Befürchtungen dringen auch über die Alpen nach Deutschland, wandeln sich aber auf diesem Wege zu der Hoffnung auf eine Reform der Kirche durch Friedrich. Sie lenken damit nur um so nachdrücklicher die Blicke auf die zum Mythus werdende Gestalt des dem deutschen Gemüte fremden, aber gerade in der Entfernung des Märchenhaften fesselnden Kaisers. Erst nach dessen Tode sollte der Reformgedanke auf deutscher Erde seinem Mythus auch deutsches Leben geben.

Von dem Wust dieser eschatologischen Befürchtungen, die eine gesunde Tätigkeit der Phantasie unterdrückten, hielt sich dieser italienische Kaisermythus vom Anbeginn seiner Entstehung ab frei. Daß freilich auch er schließlich doch wieder im Umkreise des Göttlichen blieb, das liegt nun einmal in der Tatsache beschlossen, daß die Weltherrschaftsidee, seitdem sie im Zweistromlande geboren war, die Trägerin des ewig sich regenden menschlichen Hoffens auf Heil und Erlösung ist. Dieses Göttliche aber – auch hier wieder leuchtet das Frührot der Renaissance – ist nicht mehr der mittelalterliche Kirchenglaube, sondern die Göttermär, die Sonnenmär der Alten.