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Abb. 75. Eigenhändige Unterschrift König Konradins unter einer der Stadt Pisa verliehenen Urkunde vom 14. Juni 1268

Friedrichs Gestalt, schon in Italien mit den leuchtenden Farben des mithraeischen Sonnenkultes allen weithin sichtbar gemacht, wirkte ihren Zauber bis ins Heilige Land. Und dort sollten sich Beziehungen anbahnen zwischen dem staufischen Sonnen-Kaiser und einer wirklichen, freilich vermenschlichten alten Mär von der Sonnengottheit, die bald von Westen her über das Meer zum Berge des Aufgangs fährt, bald die Nacht im Berge verbringt und dann morgens aus diesem hervorkommt und ihn als Thron der Herrlichkeit besteigt, um der Welt neues Leben zu spenden. Dieser Weltenberg, bei dem oder auf dem der Weltenbaum ragt, liegt jenseits der ewigen Wasser im Eiland des Paradieses. Aus dem Gott, der ihn besteigt, wurde im Laufe der Zeit ein Musterkönig, und durch die Jahrhunderte erhielt sich im Orient die Erwartung, daß dieser König – Oannes oder Johannes geheißen – im Lichtlande seligen Lebens vom Bergthron der Herrlichkeit aus die Welt befrieden werde. In dieser Hoffnung des Ostens wurzelt die Sage der Christen im Heiligen Lande von einem großen Priesterkönig Johann, dessen Land das Paradies ist. Hier erhebt sich ein Turmpalast, eine architektonische Nachbildung des Götterberges, der sich, wie dieser, in sieben Terrassen erhebt, deren oberste, mit Sonne, Mond und Sternen geschmückt, sich dreht wie die Welt. War jener Berg im Mythus Babels das „Schlafhaus der Sonne“, so ist dieser Palast – um eine andere der zahlreichen Bezeichnungen des Götterberges zu gebrauchen – „die Wohnung der Ewigkeit“. Kaiser Manuel, heißt es in dieser Sage, zog in ihn ein mit seinem ganzen Volke für immer. Hier steht auch der Weltenbaum, der als „dürrer Baum“ eingeführt wird. Der, der seinen Schild daran zu hängen vermag, wird der Herr der Welt. Es ist dieser Baum der gleiche, den der Perserkönig Xerxes auf seinem großen Zuge mit einem goldenen Kranze – der Kranz ist ein Gleichnis des Himmels – schmückte, derselbe, bei dem der große Alexander sich die Weltherrschaft erstritt, der auf dem Weltenberg aufragt und über dessen weites Geäst der Himmelsgott seinen Mantel mit den goldenen Sternen bei seiner heiligen Hochzeit mit der bräutlichen Erde breitet, wodurch jener seine goldenen Früchte, die Äpfel der Hesperiden wiedererlangt, während die Welt bei jeder Umarmung des Gottes neue Lebensströme durchfluten. Das Aufhängen des Schildes ist demnach eine Kulthandlung: ein Herrschafts- oder ein Fruchtbarkeitszauber, der an jene heilige Hochzeit des Götterpaares erinnert.

Abb. 76, 77. Münzen Konradins. Berlin, Münzkabinett

Bald nachdem Damiette 1221 wieder in die Hände der Ungläubigen gefallen war, wurde eine angeblich arabische Verheißung von den bedrängten Christen im Heiligen Lande verbreitet. Diese verkündet einen großen König aus dem Westen und den König aus Kalabrien, welcher Mekka erobern und das Reich Muhammeds vernichten wird. Beide Herrscher sollen in Jerusalem zusammenkommen, worauf der dürre Baum wieder grünen wird. Dieser Zug wird erst in Verbindung mit dem anderen von dem Aufhängen des Schildes, des Gleichnisses des Himmels, verständlich. Der Schild ist an die Stelle des Weltenmantels des Gottes getreten,