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gefunden, das Wort unbewußt noch in einem anderen, dritten, Sinn zu verwenden, und das mag allerdings Verwirrung gestiftet haben. Unter dem neuen und starken Eindruck, daß ein weites und wichtiges Gebiet des Seelenlebens der Kenntnis des Ichs normaler Weise entzogen ist, so daß die Vorgänge darin als unbewußte im richtigen dynamischen Sinn anerkannt werden müssen, haben wir den Terminus „unbewußt“ auch in einem topischen oder systematischen Sinn verstanden, von einem System des Vorbewußten und des Unbewußten gesprochen, von einem Konflikt des Ichs mit dem System Ubw, das Wort immer mehr eher eine seelische Provinz bedeuten lassen als eine Qualität des Seelischen. Die eigentlich unbequeme Entdeckung, daß auch Anteile des Ichs und Überichs im dynamischen Sinne unbewußt sind, wirkt hier wie eine Erleichterung, gestattet uns, eine Komplikation wegzuräumen. Wir sehen, wir haben kein Recht, das ichfremde Seelengebiet das System Ubw zu nennen, da die Unbewußtheit nicht sein ausschließender Charakter ist. Gut, so wollen wir unbewußt nicht mehr im systematischen Sinn gebrauchen und dem bisher so Bezeichneten einen besseren, nicht mehr mißverständlichen Namen geben. In Anlehnung an den Sprachgebrauch bei Nietzsche[WS 1]und infolge einer Anregung von G. Groddeck[WS 2] heißen wir es fortan das Es. Dies unpersönliche Fürwort scheint besonders geeignet, den Hauptcharakter dieser Seelenprovinz, ihre Ichfremdheit, auszudrücken. Überich, Ich und Es sind nun die drei Reiche, Gebiete, Provinzen, in die wir den Seelenapparat der Person zerlegen, mit deren gegenseitigen

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Nietzsche: Friedrich Nietzsche (Wikisource, Wikipedia).
  2. G. Groddeck: Georg Groddeck, Psychoanalytiker, von dem der Es-Begriff angeregt wurde.
Empfohlene Zitierweise:
Sigmund Freud: Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse. Internationaler Psychoanalytischer Verlag, Wien 1933, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Freud_Neue_Folge_der_Vorlesungen_zur_Einfuehrung_in_die_Psychoanalyse_1933.pdf/101&oldid=- (Version vom 21.5.2018)