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Mutter, vor der man sich fürchtet, so daß die Angst vor der Spinne den Schrecken vor dem Mutterinzest und das Grauen vor dem weiblichen Genitale ausdrückt. Sie wissen vielleicht, daß das mythologische Gebilde des Medusenhaupts auf dasselbe Motiv des Kastrationsschrecks zurückzuführen ist. Das andere Symbol, von dem ich Ihnen sprechen will, ist das der Brücke. Ferenczi[WS 1] hat es 1921–1922 aufgeklärt. Es bedeutet ursprünglich das männliche Glied, das das Elternpaar beim Geschlechtsverkehr miteinander verbindet, aber es entwickelt sich dann zu weiteren Bedeutungen, die sich von jener ersten ableiten. Insoferne es dem männlichen Glied zu verdanken ist, daß man überhaupt aus dem Geburtswasser zur Welt kann, wird die Brücke der Übergang vom Jenseits (dem Noch-nicht-geboren-sein, dem Mutterleib) zum Diesseits (dem Leben), und da sich der Mensch auch den Tod als Rückkehr in den Mutterleib (ins Wasser) vorstellt, bekommt die Brücke auch die Bedeutung einer Beförderung in den Tod und endlich in weiterer Entfernung von ihrem Anfangssinn bezeichnet sie Übergang, Zustandsveränderung überhaupt. Dazu stimmt es dann, wenn eine Frau, die den Wunsch nicht überwunden hat, ein Mann zu sein, so häufig von Brücken träumt, die zu kurz sind, um das andere Ufer zu erreichen.

Im manifesten Inhalt der Träume kommen recht häufig Bilder und Situationen vor, die an bekannte Motive aus Märchen, Sagen und Mythen erinnern. Die Deutung solcher Träume wirft dann ein Licht auf die ursprünglichen Interessen, die diese Motive geschaffen haben, wobei wir aber natürlich nicht an den Bedeutungswandel

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Sándor Ferenczi (Wikipedia).
Empfohlene Zitierweise:
Sigmund Freud: Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse. Internationaler Psychoanalytischer Verlag, Wien 1933, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Freud_Neue_Folge_der_Vorlesungen_zur_Einfuehrung_in_die_Psychoanalyse_1933.pdf/34&oldid=- (Version vom 21.5.2018)