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Interesse; er ist der erste Ausländer, der nach der Absperrung der Kriegsjahre zu mir kommt, der eine bessere Zeit eröffnen soll. Bald nachher, um 11 Uhr, kommt einer meiner Patienten, Herr P., ein geistreicher und liebenswürdiger Mann, im Alter zwischen 40 und 50, der mich seinerzeit wegen Schwierigkeiten beim Weibe aufgesucht hatte. Sein Fall versprach keinen therapeutischen Erfolg; ich hatte ihm längst vorgeschlagen, die Behandlung einzustellen, aber er hatte deren Fortsetzung gewünscht, offenbar weil er sich in einer wohltemperierten Vater-Übertragung auf mich behaglich fühlte. Geld spielte um diese Zeit keine Rolle, da zu wenig davon vorhanden war; die Stunden, die ich mit ihm verbrachte, waren auch für mich Anregung und Erholung und so wurde, mit Hinwegsetzung über die strengen Regeln des ärztlichen Betriebs, die analytische Bemühung bis zu einem in Aussicht genommenen Termin weiter geführt.

An diesem Tag kam P. auf seine Versuche zurück, die Liebesbeziehungen zu Frauen aufzunehmen, und erwähnte wieder einmal das schöne, pikante, arme Mädchen, bei dem er Erfolg haben könnte, wenn nicht schon die Tatsache ihrer Virginität ihn von jedem ernsthaften Unternehmen abschrecken würde. Er hatte schon oft von ihr gesprochen, heute erzählte er zum ersten Mal, daß sie, die natürlich von den wirklichen Gründen seiner Verhinderung keine Ahnung hat, ihn den Herrn von Vorsicht zu nennen pflegt. Diese Mitteilung frappiert mich, die Karte des Dr. Forsyth ist mir zur Hand, ich zeige sie ihm.

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Sigmund Freud: Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse. Internationaler Psychoanalytischer Verlag, Wien 1933, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Freud_Neue_Folge_der_Vorlesungen_zur_Einfuehrung_in_die_Psychoanalyse_1933.pdf/67&oldid=- (Version vom 21.5.2018)