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daß es überhaupt so schwer ist, dem, der nicht selbst Psychoanalytiker ist, einen Einblick in die Psychoanalyse zu geben. Sie können mir glauben, daß wir nicht gern den Anschein erwecken, als seien wir Geheimbündler und betreiben eine Geheimwissenschaft. Und doch mußten wir erkennen und als unsere Überzeugung verkünden, daß niemand das Recht hat, in die Psychoanalyse dreinzureden, wenn er sich nicht bestimmte Erfahrungen erworben hat, die man nur durch eine Analyse an seiner eigenen Person erwerben kann.[WS 1] Als ich Ihnen vor fünfzehn Jahren meine Vorlesungen gab, suchte ich Sie mit gewissen spekulativen Stücken unserer Theorie zu verschonen, aber grade an die knüpfen die Neuerwerbungen an, von denen ich heute zu sprechen habe.

Ich kehre zum Thema zurück. In dem Zweifel, ob Ich und Überich selbst unbewußt sein oder nur unbewußte Wirkungen entfalten können, haben wir uns mit guten Gründen für die erstere Möglichkeit entschieden. Ja, große Anteile des Ichs und Überichs können unbewußt bleiben, sind normaler Weise unbewußt. Das heißt, die Person weiß nichts von deren Inhalten und es bedarf eines Aufwands an Mühe, sie ihr bewußt zu machen. Es trifft zu, daß Ich und Bewußt, Verdrängt und Unbewußt nicht zusammenfallen. Wir empfinden das Bedürfnis, unsere Einstellung zum Problem Bewußt-Unbewußt gründlich zu revidieren. Zunächst sind wir geneigt, den Wert des Kriteriums der Bewußtheit, da es sich als so unzuverlässig erwiesen hat, recht herabzusetzen. Aber wir täten Unrecht daran. Es ist damit wie mit unserem Leben; es ist nicht viel wert, aber es ist alles, was wir

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Freud meint damit die Lehranalyse (Wikipedia).
Empfohlene Zitierweise:
Sigmund Freud: Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse. Internationaler Psychoanalytischer Verlag, Wien 1933, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Freud_Neue_Folge_der_Vorlesungen_zur_Einfuehrung_in_die_Psychoanalyse_1933.pdf/98&oldid=- (Version vom 21.5.2018)