Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 1 (1910).djvu/176

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1

festgestellt, daß die gefundenen Körperteile von der dreißig Jahre alt gewesenen Wirtschafterin Emma Kasten aus Minden herrührten.

Diese junge Dame befand sich im Frühjahr 1890 bei Verwandten in Magdeburg. Eines Tages las sie eine Zeitungsannonce, in der von einer Grafenfamilie eine Reisebegleiterin bei hohem Gehalt und guter Verpflegung zu sofortigem Antritt gesucht wurde. Die Kasten schrieb sogleich unter angegebener Chiffre an die Expedition der betreffenden Zeitung. Nach wenigen Stunden wurde sie von einer Stellenvermittlerin nach einer Magdeburger Konditorei bestellt. Die Stellenvermittlerin sagte dem Mädchen: das Schloß der Grafenfamilie die eine Reisebegleiterin suche, liege am Saum des Neuhaldenslebener Waldes. Noch am Spätabend des 21. Mai begab sich die Stellenvermittlerin mit dem jungen Mädchen nach dem Neuhaldenslebener Wald, um angeblich in das gräfliche Schloß zu gelangen. Die Nichte des Fräulein Kasten hatte von ihrer Tante herzlichen Abschied genommen, seit dieser Zeit war Fräulein Kasten spurlos verschwunden. Füchse hatten zweifellos den im Walde verscharrten Leichnam, nachdem er in Fäulnis übergegangen war, gewittert und ihn bloßgelegt, denn das Fleisch der einzelnen Körperteile war abgenagt. Einige Leute erinnerten sich der angeblichen Stellenvermittlerin, die eine Zeitlang in Magdeburg ihr Wesen trieb und oftmals in Gesellschaft eines Mannes gesehen worden ist. Schon nach kurzer Zeit gelang es der Magdeburger Polizei, festzustellen, daß die Stellenvermittlerin die 1856 zu Holzminden geborene Dora Buntrock war, die sich in Osnabrück als Lehrerin der Wäschezuschneidekunst niedergelassen hatte. Die Buntrock wurde sofort verhaftet. Sie leugnete anfänglich mit großer Entschiedenheit. Als man ihr aber nachwies, daß sie die Kleider der Ermordeten trage, gab sie schließlich zu, die Mörderin zu sein. Sie habe aber nicht allein, sondern in Gemeinschaft mit dem 1855 geborenen Agenten Fritz Erbe

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1. Hermann Barsdorf, Berlin 1910, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1910).djvu/176&oldid=- (Version vom 1.8.2018)