Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4 | |
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der Angeklagten als widerwärtig und roh, im Falle Ruppert als geradezu unqualifizierbar. – Vertreter der Nebenkläger, Rechtsanwalt Dr. Kurt Rosenfeld: Breithaupts Prinzip war von Anfang an die Schneidigkeit. Schläge waren seine Erziehungsmittel und rücksichtslos gebrauchte er die Peitsche, die selbst in Zuchthäusern kaum noch gebraucht wird. Grausam waren auch die Arreststrafen und die Fesselungen, bei denen die mit geradezu mittelalterlichen Schließwerkzeugen gefesselten Knaben sich oft nicht hinlegen konnten, oder durch Entziehung der Decken und des Strohsacks gequält wurden. Er strafte bei dem geringsten Anlaß und ohne Untersuchung ganz nach Gutdünken. Er entschuldigte sich mit der Bemerkung: In Mieltschin herrschte Kriegszustand. Er sah also in den ihm anvertrauten Zöglingen nicht junge Leute, die er erziehen sollte, sondern einen Feind, den es zu vernichten galt. Über der Mieltschiner Anstalt konnte der Willkommsgruß stehen: „Ihr, die ihr eintretet, laßt alle Hoffnung draußen.“ In diese Anstalt trat Ruppert ein, ein stiller Junge, dessen psychopathische Veranlagung dem Pastor Breithaupt unmöglich verborgen geblieben sein kann. Die ganze Roheit Breithaupts zeigte sich schon in der Äußerung, mit der er den beim Anblick von Züchtigungen weinenden Knaben schreckte: „Wenn du nicht still bist, bekommst du auch 50 Hiebe.“ Sehr bald behandelte er den armen Knaben selber so. Entsetzlich waren die sich immer wiederholten Züchtigungen nach den Fluchtversuchen und die Erpressung eines Geständnisses bezüglich des vermeintlichen Messerdiebstahls. Bei der nach einigen Tagen vorgenommenen neuen Auspeitschung wegen Fluchtverdachts schlug Breithaupt auf den Jungen, als dieser mit dem Schemel umgestürzt war, sehr heftig ein. Das kennzeichnet Breithaupt und deshalb ist ihm auch zuzutrauen, daß Schläge auf die Fußsohlen von ihm ausdrücklich angeordnet waren. Mit Unrecht bringt die Staatsanwaltschaft den Aussagen der Fürsorgezöglinge Mißtrauen entgegen. Die
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 286. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_4_(1911).djvu/290&oldid=- (Version vom 19.12.2023)