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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5

habe ihr einmal verboten, die Stiftsdamen zu bedienen. Die Oberin habe gesagt: „Die alten Laster können sich selbst die Stube aufwischen und heizen.“ – Der jetzt 54jährige Magistratsbeamte Ludwig Karl bekundete als Zeuge: Seine vor ihm hier vernommene Gattin sei zehn Jahre älter als er. Die Wagner habe sich geneigt gezeigt, mit ihm ein Liebesverhältnis einzugehen, es sei aber nicht zum Ehebruch gekommen. – Die Wagner, die während der Verhandlung wiederholt Brechanfälle bekam, erzählte: Herr Karl, ihr Dienstherr, habe ihr nachgestellt, er habe sie aber nie erwischt. – Vors.: Minna Wagner, ist nicht Ihr Onkel zu Frau Karl gekommen und hat Ihnen ein paar Ohrfeigen gegeben? – Zeugin Wagner: Nein. – Vors.: Aber Ihr Onkel hat es selbst hier zugestanden. – Zeugin: Ich erinnere mich nicht. – Zeuge Fetzer: Erinnerst du dich denn nicht? Du hast ja bitterlich geweint und noch nach zwei Jahren zu meiner Frau gesagt, daß ich dich ungerecht geschlagen habe. Das kannst du doch nicht vergessen haben. – Zeugin Wagner: Es kann ja möglich sein, ich erinnere mich aber nicht mehr. – Es folgten darauf die Sachverständigengutachten. Professor Dr med. Freiherr v. Schrenck-Notzing (München): Die Minna Wagner machte einen normalen, wenn auch einen etwas zarten Eindruck mit vielleicht etwas leichterer, nervöser Erschütterung. Sie hatte bereits vorher eine Magenerkrankung, so daß schon eine geringere Schädlichkeit eine erhebliche Störung verursachen konnte. In dem Kaffee waren 2 Gramm reine Salzsäure enthalten, die 0,7 Gramm Chlorwasserstoffsäure erzeugen. Beim Genuß von 12 Gramm tritt der Tod ein; 2 Gramm Salzsäure sind die Maximaldosis für Arzneien. Die genossene Menge überschreitet zwar nicht die ärztliche Dosis, aber die Menge wird dann nicht auf einmal genossen. Ein vollständig normaler Magen würde die Schädlichkeit des Giftes in schnellerer Zeit überwunden haben. Das unstillbare Brechen kann durch psychische Vorgänge beeinflußt werden. Es ist bekannt,

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/205&oldid=- (Version vom 1.8.2018)