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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5

geweckt, sie solle die Gashähne schließen, die von der Wagner geöffnet worden seien. Ein anderes Mal soll die Wagner eine Suppenschüssel mit Petroleum beschmiert haben. – Die Feststellung des Verteidigers, daß drei Wochen vor dem kritischen Tage im Stift auf Rechnung von drei Stiftsfräuleins 241 Flaschen Bier getrunken worden seien, erregte allgemeine Heiterkeit. – Alsdann wurde die 64 Jahre alte, sehr gebrechliche Stiftsdame Neudegger vernommen, die an das bayerische Ministerium eine Eingabe zugunsten der Angeklagten gerichtet hatte. Es hieß in der Eingabe: Es sei unerhört, daß man annehmen könne, die Oberin v. Heusler hätte die Tat begangen. – Die Angeklagte erklärte zu der Eingabe, sie selbst habe die Zeugin gebeten, dem Ministerium alles mitzuteilen, weil sie selbst doch nicht in eigener Sache schreiben konnte. Was die Zeugin zu schreiben hatte, habe sie ihr nicht gesagt. – Eine weitere Zeugin bekundete: Eine Stiftsdame habe mit Vorliebe ihren eigenen Kot in die Hand genommen, im Zimmer herumgetragen und anderen Damen unter die Nase gehalten. Ferner soll eine Dame bei Tisch zu einer anderen gesagt haben: „Sie haben aber heute ein mächtiges Vorgebirge!“ Eine andere Zeugin erklärte: Ein Stiftsfräulein sei als große Freundin von Likören und Schnaps bekannt gewesen; auch sei davon gesprochen worden, daß die Stiftsdamen gern Bier tranken. Es seien auch wiederholt Reibereien zwischen der Angeklagten und den anderen Damen vorgekommen. Eine von den Stiftsdamen habe ein Tagebuch über ihre Streitigkeiten mit der v. Heusler geführt. – Der Referent im Ministerium des Innern, Regierungsrat Dr. Castor, bekundete: Die Angeklagte sei nicht liebevoll im Sinne christlicher Nachsicht und Geduld, wie es den Grundsätzen des Maximilianstiftes entspreche, mit den meist hochbetagten Damen verfahren, sondern roh, unfreundlich, heftig und hart zu ihnen gewesen. Das Verhalten der Angeklagten habe Anlaß gegeben, sie mehrfach

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 211. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/215&oldid=- (Version vom 31.7.2018)