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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5

zu ihr herangetreten und habe gesagt: „Fräulein, führen Sie sich doch anständig auf!“ Sie habe geantwortet: „Ich bin ja die Minna Wagner“, da habe der Schutzmann nichts weiter gesagt. Meine Frau telephonierte dann an den Doktor Decker und erfuhr, daß alles nicht wahr sei. An demselben Tage hatten wir eine Gesellschaft. Schon bei der Zubereitung der Speisen bemerkte meine Frau im Spinat und im Gelee Fingerspuren. Die Wagner wurde deshalb früh zu Bett geschickt, hatte aber vorher noch Streit mit der Köchin. Nach der Gesellschaft schloß ich alle Gashähne und untersuchte selbst noch einmal überall, ob das Gas auch wirklich abgedreht sei. Als ich schon halb im Schlaf lag, nach etwa einer halben Stunde, weckte mich meine Frau mit dem Bemerken, daß es stark nach Gas rieche. Als ich in die Küche trat, roch ich nicht nur das Gas, sondern hörte es auch ausströmen. Ich weckte die Köchin. Den Gasometerschlüssel mußte ich erst lange suchen, so daß ich den Eindruck hatte, als ob er versteckt sei. Am nächsten Morgen, als ich die Gashähne wieder öffnete, leuchtete, wie ich durch eine Glasscheibe sofort bemerkte, die Flamme im Zimmer der Wagner, die einen Selbstzünder hatte, hell auf. Meine Frau und ich beschlossen deshalb, schon nach einer Woche und einem Tage, uns der Minna Wagner ohne Aufsehen zu entledigen. – Vors.: Wurden der Wagner nicht Vorhaltungen gemacht? – Zeuge: Von uns nicht, aber von der Köchin. Die Wagner entgegnete, dergleichen könne wohl auch von selbst vorkommen und sei auch im Krankenhause vorgekommen. Sie könne einen Eid leisten, daß sie nichts angerührt habe. Die Köchin, die schon jahrelang bei uns ist, ist außerordentlich zuverlässig. – Vert.: Wie charakterisieren Sie die Wagner? – Zeuge: Ich hielt die Wagner für eine boshafte Närrin. Ich traute ihr nach meinen Erfahrungen durchaus zu, daß sie selbst die Salzsäure in den Kaffee getan hatte. – Der praktische Arzt Dr. Decker-München bekundete als Zeuge: Er habe Minna

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 215. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/219&oldid=- (Version vom 1.8.2018)