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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5

Wegen ihrer Neugier und Klatschsucht gab man ihr in Schönau bei Berchtesgaden, wo sie nach dem ersten Prozeß in dem Hotel von Zeller beschäftigt war, die Beinamen „Spitzel“ und „Hausreporter“. – Eine Zeugin, die kommissarisch vernommen worden war, hatte bekundet: Die Wagner habe ihr einmal erzählt, im Krankenhaus habe sie bemerkt, daß der Arzt mit einer Schwester nähere Beziehungen habe. Sie habe deshalb lauschen wollen, ob die beiden geschlechtlich miteinander verkehren. Sie habe den Kopf zwischen zwei Latten gesteckt, dann aber beim Lauschen den Kopf nicht mehr herausbekommen, so daß man ihr zu Hilfe kommen mußte. – Alsdann wurde erwähnt, daß die Wagner sich in einen Burschen, den „Loisl“, verliebt und versucht habe, ihn einem anderen Mädchen abspenstig zu machen. – Gerichtsdiener Ludwig Fetzer, Oheim der Minna Wagner, bekundete: Seine Nichte sei ein fleißiges, tüchtiges und ordentliches Mädchen gewesen. Es kamen zwar hie und da Klagen von einer Dienstherrschaft, aber das sei ja immer so bei jungen Mädchen. Dagegen habe er sich über seine Nichte geärgert, als sie zum Katholizismus übertrat. – Vors.: Sie sollen davon gar nichts gewußt haben. – Zeuge: Ich habe keine Silbe davon gewußt. Ich kam eines Tages ins Franz Josephsstift; da sagte mir die Oberin: Der Übertritt sei schon vollzogen, meine Nichte eigne sich wie kaum eine andere für eine Schwester, und Gott habe es so gewollt.“ Auf dem Korridor kam mir meine Nichte entgegen und rief mir zu: Onkel, ich bin schon katholisch geworden. Ich antwortete ganz bestürzt: „Mädel, dann schieße ich dich tot.“ – Vors.: Ihre Nichte hat verschiedenen Leuten erzählt, Sie hätten vor der Bonifaziuskirche auf sie geschossen und wären deshalb zu 200 Mark Geldstrafe verurteilt worden. – Zeuge: Das habe ich auch in der Zeitung gelesen. Ich weiß natürlich nichts davon, denn auf eine solche Schießerei stehen doch ganz andere Strafen wie 200 Mark Geldstrafe. Über die Heusler hat

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/222&oldid=- (Version vom 31.7.2018)