Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 5 (1912).djvu/224

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5

immer ein braves und ordentliches Mädchen und schickte ihrer Mutter Geld, wenn sie etwas gespart hatte. – Dienstmädchen Sgoff: Sie wisse bestimmt, daß sie selbst den Kaffee in das leere Fläschchen hineingeschüttet habe. Die Schwarz sei heraufgekommen und habe im Namen der Oberin den Kaffee gefordert, die Wagner habe ihn aber nicht hergegeben. – Vors.: Wie lange waren Sie noch oben? – Zeugin: Etwa eine Viertelstunde. – Vors.: Ist in dieser Zeit die Angeklagte hinaufgekommen? – Zeugin: Nein, in der Zeit nicht, das muß später gewesen sein. – Als letzter Zeuge wurde Buchhalter Hofmeister, der beim Rechtsanwalt Dr. v. Pannwitz in Stellung war, vernommen. Er bekundete, daß die Angeklagte, nachdem sie aus dem Zuchthause entlassen sei, bei ihm wohne. Sie benehme sich durchaus ruhig, sei wahrheitsliebend und zuverlässig. – Angeklagte v. Heusler (weinend): Durch die große Güte des Herrn… – Vert. R.-A. Dr. v. Pannwitz: Bitte, lassen Sie das, das gehört nicht hierher. – Es wurde darauf zur Vernehmung der Sachverständigen geschritten. Landgerichtsarzt Medizinalrat Professor Dr. Hoffmann (München): Aus dem Umstande, daß die hintere Rachenwand bei der Wagner keine Verätzung gezeigt habe, könne nicht der Schluß gezogen werden, daß sie keine Salzsäure geschluckt habe. Es sei auch Blut in dem Erbrochenen gewesen, das sei ein Charakteristikum der Salzsäurevergiftung. Im ganzen habe die Wagner 2 Gramm Salzsäure eingenommen, die in 20 Gramm Milchkaffee enthalten waren. Bei einem gesunden Menschen könnte das höchstens Leibschmerzen verursachen. Die Wagner habe die Wirkungen aber schärfer verspürt, weil sie schon vorher magenkrank war. – Dr. med. Decker (München): 2 Gramm Salzsäure sind verschwindend gegenüber den Speisemengen im Magen. Die Obduktion hat hierfür gar keinen Anhalt gegeben. – Prof. Dr. Hofmann bezeichnete es als möglich, daß bei der Operation Entzündungsstoffe in die Bauchhöhle gelangt

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/224&oldid=- (Version vom 1.8.2018)