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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5

seien. – Sodann folgte das Gutachten des Sachverständigen Professors Dr. Kraepelin, Direktors der psychiatrischen Universitätsklinik in München. Dieser betonte ganz besonders den Mangel an Wahrheitsliebe der Wagner. In Verbindung mit ihrer Unwahrhaftigkeit wird man auch eine Neigung zur Übertreibung ihrer Krankheitserscheinungen annehmen müssen. Die Wagner war nicht im gewöhnlichen Sinne des Wortes geisteskrank, sondern sie gehörte dem großen Zwischengebiet zwischen geistiger Gesundheit und geistiger Krankheit an, das unter den Begriff „Minderwertigkeit“ fällt. Man kann bei Beantwortung der Frage, ob die Wagner fähig war, auch subjektiv Unwahres auszusagen, also einen wissentlichen Meineid zu leisten, zu einer Bejahung kommen, wenn man ihre psychopathische Minderwertigkeit in Betracht zieht, die ihr ein Zurück von dem einmal betretenen Wege wohl unmöglich machte. – Professor Dr. Aschaffenburg (Köln) trat dem Gutachten des Professors Dr. Kraepelin vollständig bei. – Professor Dr. Freiherr v. Schrenck-Notzing (München): Er könne die Frage, ob Hysterische die Neigung haben, aus Rachsucht sich selbst Schaden zuzufügen, um andere zu belasten, ebenfalls bejahen. Er könne eine ganze Reihe derartiger Fälle aus seiner Praxis anführen. – In ähnlicher Weise äußerte sich Professor Dr. Gudden (München). – Professor Dr. Hoffmann suchte hierauf das Gutachten zu rechtfertigen, das die Ärzte in der ersten Verhandlung erstattet haben, auf Grund dessen die Wagner damals durchaus glaubwürdig befunden wurde. „Ich und Dr. Holterbach haben die Wagner während der vorigen Schwurgerichtsverhandlung beobachtet und nach jeder Sitzung ihren Geisteszustand untersucht. Ich sagte, ich hätte nicht eine Spur von Geistesstörung gefunden. Auf Grund der Zeugenvernehmung, der Nachforschungen nach ihrem Vorleben, der Gutachten und des Fehlens erblicher Belastung habe ich das Vorliegen von Hysterie verneint. Ich schloß damals: Meiner Ansicht nach

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 221. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/225&oldid=- (Version vom 1.8.2018)