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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5

Mann mit dunklem, wohlgepflegtem Vollbart und etwas gelichtetem Haupthaar. Seine Gesichtszüge ließen auf große Intelligenz schließen. Der Angeklagte nannte sich Dr. med. Gusti Iwan Braunstein. Er war am 20. Februar 1858 in Wipperfürth bei Köln geboren und evangelischer Konfession. Dieser Mann, der sich die Heilung der Menschheit zur Lebensaufgabe gemacht hatte, war einer der kaltblütigsten und grausamsten Raubmörder. Er hat den Mord aber in so raffinierter Weise begangen, daß es unmöglich war, ihn des Mordes auch nur anzuklagen. Dr. Braunstein hatte beim Rheinischen Jägerbataillon sein Jahr abgedient und alsdann in Bonn und München Medizin studiert. 1889 machte er in Bonn das Staatsexamen. Er war zunächst Volontärarzt an der chirurgischen Klinik in Breslau, später im mikroskopischen Institut in Bonn. Zu dieser Zeit wurde er zum Leutnant der Reserve ernannt. 1890 wurde er in Bonn wegen Unterschlagung und Betruges zu 3 Jahren Gefängnis, 5 Jahren Ehrverlust und 900 Mark Geldstrafe verurteilt. Nach Verbüßung dieser Strafe wurde er Schiffsarzt, alsdann praktischer Arzt in Bebra, Sangerhausen und Halle a. S. Im August 1900 ließ er sich in München als praktischer Arzt, gleichzeitig als Spezialarzt für Nasen-, Hals- und Ohrenkrankheiten nieder. In Halle lernte er ein hübsches junges Mädchen, namens Minna Wege kennen. Am 16. September 1903 verlobte er sich mit der Wege und am 15. November 1903 fand die Vermählungsfeier statt. Bald darauf begab sich das neuvermählte Paar auf die Hochzeitsreise. Am 26. November 1903 starb plötzlich Frau Dr. Braunstein in Lugano. Die Todesursache konnte gerichtlich nicht festgestellt werden, da Dr. Braunstein die Leiche sofort in Lugano hatte verbrennen lassen. Er behauptete, es sei der Wunsch seiner Frau gewesen, in dieser Weise bestattet zu werden. Eine Reihe schwerwiegender Verdachtsgründe sprachen aber dafür, daß Dr. Braunstein seine Frau vergiftet hatte, um sich in den Besitz ihres nicht unbeträchtlichen Vermögens zu

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/8&oldid=- (Version vom 1.8.2018)