Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 6 (1912).djvu/101

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

Öffentlichkeit gedrungen sei. Der Gewährsmann der Angeklagten bestand lediglich aus einem Stück Papier, auf welchem Adresse und Unterschrift ausgeschnitten war! Auf dieses Beweismaterial hin sei eine so schwerwiegende und Aufsehen erregende Behauptung in die Welt geschleudert worden. Das sei mehr wie leichtfertig, das sei böswillig. Die Angeklagten kennen den wirklichen Gewährsmann, aber sie nennen ihn nicht. War das Schriftstück echt, dann war der Mann, an den es gerichtet gewesen, der Gewährsmann, und dieser würde sich des schmählichsten Vertrauensbruches schuldig gemacht haben. Andernfalls würde das Papier gestohlen worden sein. Man könne wohl annehmen, daß der „Vorwärts“ getäuscht worden, daß er einem Witzbold zum Opfer gefallen sei. Aber es sei traurig, daß sich die Angeklagten so leicht täuschen ließen. Es sei ganz zweifellos, beim lesenden Publikum sollte der Eindruck hervorgerufen werden, daß mit dem Artikel der Kaiser selbst getroffen werden sollte. Das beweisen auch viele Äußerungen in der Presse. Er gebe zu, daß die Presse ziemlich einmütig gegen das Einschreiten der Staatsanwaltschaft in vorliegendem Falle sich ausgesprochen habe. Das sei nicht verwunderlich, denn die Presse werde in solchen Fällen immer unter dem Eindruck stehen: res tua agitur! Nebenbei bemerkt, sei es in früheren Jahren eine gute Preßsitte gewesen, über schwebende Strafsachen sich der Kritik zu enthalten. Die Presse habe aber in vielen Fällen durchaus seine Ansicht geteilt, daß die Artikel direkt auf den Kaiser gemünzt seien. Majestätsbeleidigung liege also vor. Was die Frage des groben Unfugs betreffe, so sei ihm dieses Kapitel etwas peinlich, weil er als Jurist auf möglichste Einschränkung der Nr. 11 des § 360 St.-G.-B. bzw. der Interpretation dieser Gesetzesbestimmung hingearbeitet habe. Er stelle die Entscheidung in diesem Punkte dem Gerichtshofe anheim. Daß der zweite Angeklagte wegen der Behauptung, Herr v. Trotha leide entweder an einer beunruhigenden Gedächtnisschwäche

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/101&oldid=- (Version vom 1.8.2018)