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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7

er nicht mehr. — Der Vorsitzende bedeutete dem Zeugen, daß er früher mit voller Bestimmtheit behauptet, die Worte seien in jüdisch-polnischem Jargon gesprochen worden. — Der Zeuge erklärte: Er habe von dieser seiner Wahrnehmung am 22, Januar abends Mitteilung gemacht, Cybulla erwiderte jedoch, daß dies mehrere Tage später gewesen sei. — Der zunächst verhaftet gewesene Kaufmann Heim. Boß jun. bekundete: Der Knabe Cybulla habe ihm häufig Semmel gebracht; das letztemal sei er am 21. Januar 1884 des Morgens bei ihm gewesen. Daß er am Abende des 21. Januar den Knaben angerufen, sei unwahr; daß in der Nacht vom 21. bis 22. Januar in seinem Hause große Unruhe geherrscht, bestreite er ebenfalls. Gleich nach Auffindung der Leiche habe Behrendt laut gerufen: „Das haben die Juden getan!“ Am 23, Januar sei er (Zeuge) vernommen worden. Die bei ihm vorgefundenen Blutflecken, Blutklumpen usw. erklären sich aus dem Umstande, daß er bisweilen in seiner Behausung Vieh geschlachtet habe. In seinem Ziegenstalle sei in der Nacht vom 21. zum 22. Januar allerdings der Ständer umgeworfen gewesen; diesen bereits etwas morschen Ständer haben jedenfalls die Ziegen umgeworfen. Mit Josephson sei er nicht befreundet gewesen. — Staatsanwalt: Es ist die Behauptung aufgestellt worden, Herr Zeuge, daß am 21. Januar 1884, abends, viele Juden bei Ihnen gewesen sind. — Zeuge: Das ist nicht wahr, nur mein Schwager Mendelssohn aus Neukirch ist an jenem Abende bei mir gewesen. — Handlungsgehilfe Cohn, der zurzeit bei Boß konditioniert hatte, bestätigte vollständig die Bekundung des Zeugen Boß. Als bei Boß Haussuchung gehalten wurde, war in der Bevölkerung von Skurcz gegen die Juden große Erregung. Einer der Vorlautesten, der die Juden als die Mörder bezichtigte, war der Angeklagte Behrendt, der sich auch bei der bei Boß vorgenommenen Haussuchung beteiligte. Sattler Bobilinski bestätigte im wesentlichen die Angaben der beiden Vorzeugen; er behauptete nur, im Widerspruch mit

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_7_(1912).djvu/83&oldid=- (Version vom 30.3.2023)