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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 8
Fürst Bismarck gegen den Universitätsprofessor Dr. Theodor Mommsen

verkennen. Ich überlasse auch nach dieser Seite hin meine Beurteilung mit aller Gewissensruhe dem deutschen Publikum der Gegenwart und Zukunft. – Nach nur kurzer Beratung erkannte der Gerichtshof auf Freisprechung. Obwohl der Gerichtshof objektiv eine Beleidigung für vorliegend erachtet, so führte der Vorsitzende in der Urteilsbegründung aus, glaubt er der Versicherung des Angeklagten, daß er den Fürsten Bismarck nicht gemeint habe. Der Gerichtshof ist auch nicht der Meinung, der Angeklagte habe das Bewußtsein gehabt, die Zuhörer könnten seine Worte auf den Fürsten Bismarck beziehen. – Die Staatsanwaltschaft legte gegen das freisprechende Erkenntnis Revision ein. – Der zweite Strafsenat des Reichsgerichts (Vorsitzender: Senatspräsident Drenkmann) hob das Urteil auf und verwies die Angelegenheit zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht I mit etwa folgender Begründung: Unter den Propheten der neuen Wirtschaftspolitik kann nur die Regierung gemeint sein.. Wenn auch infolgedessen Fürst Bismarck nicht direkt beleidigt ist, so ist er doch als Glied der Regierung beleidigt. – Professor Dr. Mommsen hatte sich deshalb am 9. Januar 1883 nochmals, und zwar diesmal vor der vierten Strafkammer des Landgerichts Berlin I zu verantworten. Den Gerichtshof bildeten: Landgerichtsdirektor Martius (Vorsitzender) und die Landgerichtsräte v. Salpius, Kolshorn, Altstedt und Landrichter Dr. Olshausen (Beisitzende). Die königliche Staatsanwaltschaft vertrat Staatsanwalt Dr. Heppner, die Verteidigung führte wiederum Justizrat Makower. – Nach Verlesung der inkriminierten Rede fragte der Staatsanwalt den Angeklagten, ob er sich darüber äußern wolle, wen er eigentlich in seiner Rede gemeint habe. – Professor Dr. Mommsen: Ich glaube wohl, daß mein Herr Verteidiger darüber nähere Ausführungen machen wird. Aber befragt, will ich folgendes antworten: Ich habe überhaupt nicht von Personen gesprochen, sondern von Anschauungen und Dingen.

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 8. Hermann Barsdorf, Berlin 1913, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_8_(1913).djvu/38&oldid=- (Version vom 1.8.2018)