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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 8

Mutter, einen unmoralischen Lebenswandel geführt, daß Taschendiebe bei ihnen verkehrt und daß auch die Zeugen Färber und Freund Umgang mit diesen Taschendieben gehabt haben. Am 2. März sei sie im Panoptikum gewesen und habe die Kobelt, Tochter und Mutter, und die Zeugen Färber und Freund gesehen. Da sie wisse, daß die Gesellschaft sich in schlechtem Rufe befinde, habe sie eine Berührung mit diesen Leuten vermieden. Plötzlich habe sie gesehen, wie die vier Personen einen fremden Herrn, als den sie den Angeklagten erkenne, umringten. Bei dieser Gelegenheit sah sie, wie Färber der Kobelt in die Tasche faßte und ihr einen Gegenstand herausnahm. Den Gegenstand selbst konnte sie nicht erkennen, sie wisse nur, daß es kein Taschentuch war. Die Kobelt habe gesehen, wie ihr Färber in die Tasche faßte. – Vors.: Färber, weshalb griffen sie der Kobelt in die Tasche? – Färber: Ich wollte mich noch einmal genau überzeugen, ob der Kobelt das Portemonnaie fehlte. – Der frühere Schutzmann Goldes bekundete ebenfalls, daß die Kobelt (Mutter und Tochter) und auch der Zeuge Freund vielfach mit Zuchthäuslern, Taschendieben usw. intimen Umgang gehabt. – Polizeileutnant Friese: Der Angeklagte habe ersucht, ihn zu visitieren, er (Zeuge) habe aber die Visitation abgelehnt, da er von der Unschuld des Angeklagten überzeugt war. – Staatsanwalt Dr. Feige nahm alsdann das Wort zur Schuldfrage: Ich bin in der Lage die Freisprechung des Angeklagten zu beantragen. Ich bin von der Unschuld des Angeklagten überzeugt und werde mich deshalb sehr kurz fassen. Ich werde den Herren Verteidigern hinreichenden Spielraum gewähren. Zunächst sage ich den Herren Verteidigern meinen besten Dank, daß sie sich mit so großer Mühe der Herbeischaffung des Entlastungsmaterials unterzogen haben. Die Sache ist bereits mehrfach ein psychologisches Rätsel genannt worden; ich glaube, die psychologische Diagnose war von den meisten Belastungszeugen falsch gestellt worden.

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 8. Hermann Barsdorf, Berlin 1913, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_8_(1913).djvu/58&oldid=- (Version vom 1.5.2023)