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Hugo Friedländer: Kulturhistorische Kriminal-Prozesse der letzten vierzig Jahre, Band 1

Augenscheinnahme vorzunehmen. An einem nebligen Junimorgen begaben sich die Mitglieder des Gerichtshofes, Oberstaatsanwalts-Substitut Szeyfferth, der Vertreter der Nebenklägerin, die Verteidiger mit Moritz und Josef Scharf nach Tisza Eszlar. Der Untersuchungsrichter Bary, die Abgeordneten v. Onody und v. Istoczy und die zahlreichen Vertreter der Presse hatten sich angeschlossen. Die Bewohner des Theißdorfes waren selbstverständlich in hellen Haufen zusammengeströmt. Moritz Scharf mußte in der Synagoge die Stelle bezeichnen, an der der Mord ausgeführt worden sei. Darauf wurde Moritz Scharf aufgefordert, hinauszugehen und durch das Schlüsselloch zu sehen. Es wurde nun ein „Mord“ mit einer Puppe genau an der angegebenen Stelle fingiert. Alsdann wurde Moritz gefragt, was in der Synagoge vorgegangen sei. Moritz wußte aber nicht das mindeste anzugeben. Nunmehr überzeugten sich sämtliche Prozeßbeteiligten, daß man durch das Schlüsselloch überhaupt nicht sehen könne, was in der Synagoge vorgehe. – Ein Mitglied des Gerichtshofes äußerte hierauf: „Mit diesem Versuch hätten wir anfangen müssen, dann hätten wir die lange Verhandlung nicht nötig gehabt.“ –

Die Beweisaufnahme wurde danach geschlossen.

Oberstaatsanwalts-Substitut Szeyfferth führte in längerer Rede aus, er habe die volle Ueberzeugung, es sei kein Mord begangen worden, die von den Flößern gefundene Leiche sei die der Esther Solymosi. Die Anklage sei durch Glaubenshaß entstanden;

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Hugo Friedländer: Kulturhistorische Kriminal-Prozesse der letzten vierzig Jahre, Band 1. Continent, Berlin 1908, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Kulturhistorische_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1908).djvu/41&oldid=- (Version vom 1.8.2018)