Seite:Friedrich Bauer - Christliche Ethik auf lutherischer Grundlage.pdf/101

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

offenen, aufgeschlossenen Sinn zu erkennen, wie er in dem Natürlichen einen Spiegel göttlicher Dinge sieht. Kurz, er ist und bleibt das ewige Urbild.


§ 38.
Bedeutung der Erlösung für Wiederherstellung des göttlichen Ebenbilds.

 Was Christus in seiner Person gewesen ist, nämlich das wiederhergestellte Ebenbild Gottes im Menschen, das soll nun auch die Menschheit werden. Die Wiederherstellung des göttlichen Ebenbildes in der Menschheit setzt die Erlösung voraus, die Vergebung der Sünden, das Werk Christi. Dieses Werk bestand darin, daß Christus als der Gottmensch unser Stellvertreter wurde und für uns Genugthuung – satisfactio – leistete. Die Genugthuung leistete er in Form der Sühne – ἱλασμός –, welche eine freiwillig übernommene Leistung von Seite eines Unschuldigen, der sich für andere zum Opfer gibt, ist und deswegen auch zur Wirkung die καταλλαγή hat, die Wiederherstellung des Friedens- und Freundschaftsverhältnisses mit Gott, die Versöhnung. Gott kann sich auch eine Genugthuung nehmen, wenn er den Menschen straft. Aber wenn Gott den Menschen straft, so bleibt er ewig unter seinem Zorn und es kommt zu keiner καταλλαγή. Aus der καταλλαγή fließt die ἀπολύτρωσις im engeren Sinn, die Erlösung von der Macht und Herrschaft der Sünde, die sittliche Wirkung des Erlösungswerks. Das Wort ἀπολύτρωσις ist aber sehr umfassend; es kann auch das ganze Werk Christi einschließen: 1. die Befreiung des Menschen von der Schuld und 2. von der Herrschaft der Sünde. Die Sünde ist für den Menschen auch ein Joch, unter dem er seufzt. Das Joch kann er nicht selber von sich abschütteln, mithin muß er auch erlöst werden von der Macht der Sünde, und die heilige Schrift schreibt der Erlösung die sittliche Wirkung zu: Befreiung von der Macht der Sünde, 1. Petr. 1, 18.

 Diese Seite des Erlösungswerks ist es namentlich, welche in der Ethik in Betracht gezogen werden muß, weil der Mensch dadurch wieder zum sittlich guten Handeln befähigt wird. Die Schrift hebt diese sittlich befreiende Wirkung des Opfers Christi an einigen Stellen sehr entschieden hervor, 1. Petr. 1, 18. Hier wird deutlich gesagt, daß die Erlösung Christi nicht bloß in der Aufhebung der Straffolgen, der Schuld der Sünde besteht, sondern daß sie auch besteht in einer sittlichen Befreiung. Wir sind erlöst von dem eitlen, von unsern Vätern her überlieferten Wandel, von dem bösen Wandeln, das sich