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als eine schlechte Tradition und böse Gewohnheit, gleichsam als die konkrete Ausgestaltung der Erbsünde von einem Geschlecht zum andern fortpflanzt, cf. 1. Petr. 2, 24; Röm. 6, 14; Tit. 2, 14; 1. Kor. 1, 30; Gal. 1, 4; αἰών bedeutet in der letztangeführten Stelle nicht die gottfeindliche Menschheit, sondern eine gottfeindliche sittliche Beschaffenheit, eine gottfeindliche Sinnesweise, Denkungsart. Und von dieser Denkungsart sind wir erlöst. Wenn man mit Einem Wort die Frucht der Erlösung nach dieser Seite hin bezeichnen wollte, so könnte man sie bezeichnen als Befreiung oder Freiheit. Die Wirkung seiner hohepriesterlichen Thätigkeit war zunächst die Vergebung der Sünde oder mit Einem Wort die Gnade, dagegen die andere Wirkung, die aus der ersten hervorgeht, ist die Befreiung von der Macht und Herrschaft der Sünde, oder als Thatbestand: die sittliche Freiheit.

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Nun entsteht freilich die Frage: Inwiefern kann denn das Opfer Christi eine solche sittliche Wirkung für uns haben, wie werden wir dieser Wirkung teilhaftig? Wir werden dieser sittlichen Wirkung teilhaftig, indem wir die Gnade der Vergebung im Glauben annehmen. Von der im Glauben angenommenen Gnade geht eine Veränderung, Erneuerung und Reinigung unseres Herzens aus, vgl. Schmalk. Art. pars III, Art. 13; 1. Art. 3, 40; Apologie XII (V) 35–47. Indem wir im Glauben einen objektiven Thatbestand annehmen und in denselben versetzt werden, erfahren wir zugleich eine subjektive Veränderung. Es ist ein Unterschied zu machen zwischen der sündenvergebenden und der sittlich befreienden Wirkung. Die erste Wirkung geht zurück auf die Versöhnung; diese ist eine objektive, ist in objektiver Wirklichkeit vorhanden, seitdem der göttlichen Gerechtigkeit genug gethan ist und der HErr gesprochen hat: „es ist vollbracht“. Natürlich nützt sie uns nicht, wenn wir sie uns nicht mit dem Glauben aneignen. Aber die Thatsache ist vorhanden. Bei Gott gilt Christi Opfer als eine äquivalente Leistung, als eine vollkommene Zahlung für die Schuld des menschlichen Geschlechts. Dagegen die andere Wirkung geht darauf zurück, daß uns Christus durch sein Opfer erworben hat die Gabe des heiligen Geistes, damit hat er uns die Möglichkeit dieser sittlichen Freiheit erworben und diese wird in uns wirklich, wenn wir erneuert werden durch den heiligen Geist, durch den die sittlich befreiende Wirkung des Opfers Christi uns zu teil wird. Luther sagt: Christus hat uns nicht bloß das meritum erworben, sondern auch das donum, nicht bloß die