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Sündenvergebung, sondern auch die Gabe des heiligen Geistes und damit die Möglichkeit eines neuen sittlichen Verhaltens und Kraft zu einem neuen, heiligen Leben. Er ist ebenso uns zur Gerechtigkeit gemacht, wie zur Heiligung, 1. Kor. 1, 30. Die Sendung des heiligen Geistes ist zwar eine That des zu Gott Erhöhten, aber zugleich die Frucht seines Leidens und Sterbens. So stellt es der HErr selber dar in seinen letzten Reden, Joh. 16, 7: „So ich nicht hingehe, so kommt der Tröster nicht zu euch; so ich aber hingehe, will ich ihn zu euch senden.“ Da muß man denn freilich wissen, was der Begriff „Hingang“ für einen umfassenden Sinn im Evangelium Johannis hat. Es ist sein Gang in das Leiden gemeint, sein Gang in den Tod, sein Gang durch den Tod zur Auferstehung, ja als Abschluß auch die Himmelfahrt, sein hohenpriesterlicher Eingang ins obere Heiligtum. Und als Frucht dieses seines Leidens, Sterbens und Eingehens zu Gott wird dort die Sendung des heiligen Geistes bezeichnet, so daß man sagen kann, daß Christus durch sein Leiden und Sterben uns auch den heiligen Geist erworben hat und damit die Freiheit von der Macht der Sünden, die Möglichkeit eines sittlichen Verhaltens, die Kraft zu einem neuen, heiligen, Gott wohlgefälligen Leben; vgl. Joh. 14, 23–30. Es ist damit nicht bloß das Rechtsverhältnis wiederhergestellt, sondern auch das Machtverhältnis. Wir sind nicht bloß bei Gott in Gnaden und haben Gottes Urteil für uns, sondern wir haben auch Macht, der Sünde abzusterben, das Fleisch mit seinen Geschäften zu töten und Gotte zu leben. Es ist dasselbe, wie wenn der Apostel im Römerbrief davon redet, wie es beim Christen dazu kommt, daß er befreit wird von Sünde und Tod, Röm. 8, 2. Eine andere Befreiung von der Sünde, nämlich von ihrer Macht und Herrschaft, gibt es nicht, als daß Gott seinen Geist uns gibt; nur die Einwohnung des Geistes Christi in uns bringt diese Wirkung hervor. Wiederum der heilige Geist wird nicht ohne Mittel gegeben, sondern durch die Gnadenmittel, durch Wort und Sakrament. In diesen wird der Geist, das Verdienst Christi, Christus selber als das Heilsgut mitteilbar, übertragbar. In den Gnadenmitteln verobjektiviert sich das Heilsgut und stellt sich in konkreter Wirklichkeit uns dar. Gott selber als das höchste Gut wird hier in den Gnadenmitteln in konkreter Weise uns vor die Augen gestellt, ja mitgeteilt, Joh. 6: „Das Brot des Lebens“. So wird es möglich, daß wir, wie Petrus sagt, teilhaftig werden göttlicher Natur, 2. Petr. 1, 4. Dadurch erst kommt es zu