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an sich selbst, an seiner eigenen Kraft verzagen läßt und ihn zunichte macht, Röm. 7, 14, 18, 24, so daß er sich nach einem Heiland sehnen lernt, Gal. 3, 24. Erst auf solchem bereiteten Boden findet das Evangelium eine günstige Aufnahme, keimt der Glaube, wie umgekehrt der Glaube erst die Buße zu einer wahrhaft evangelischen macht, so daß die Lust und Liebe zur Sünde ertötet wird und der Christ anfängt, die Sünde von Herzensgrund zu hassen und zu fliehen, was das Gesetz nicht zu bewirken vermocht hat. Darum gehören beide, Buße und Glauben, zusammen. Der bußfertige Glaube allein ist der rechte Glaube und die gläubige Buße die rechte Buße. Und hier ist der Anfang der wahren Sittlichkeit, die Umkehr des Menschen von der Sünde zu Gott, und muß Glaube und Buße wie den Anfang, so auch den Fortgang und das Ende des Christenlebens bilden. – Der Glaube hat aber noch eine andere Seite, eine thätige, wie denn das Christentum auch ein Verhalten ist; „der Glaube ist ein lebendig, mächtig und schäftig Ding und fragt nicht lange, ob gute Werke zu thun seien, sondern ehe man sich versieht, hat er sie gethan und ist immer im Thun“ (Luther). Das ist die sittliche Seite des Glaubens und der Beweis, daß die Religion im innersten, tiefsten Grunde ethisch ist. Der Glaube muß sich fruchtbar erweisen, denn er ist eine göttliche Kraft und tritt heraus in Glaubenswerken, oder was dasselbe ist, er ist thätig in der Liebe, Gal. 5, 6. Der bloß rezeptive Glaube, wiewohl er allein selig macht, kommt in Gefahr, sich selbst zu verlieren ohne die thätige Seite oder die Liebe, welche die verborgene göttliche Kraft bezeugt und äußerlich zur Erscheinung bringt. Darum ist der Glaube nichts ohne die Liebe, 1. Kor. 13, 1–2. Der Glaube ist ὄργανον ληπτικόν, causa apprehendens, aber er hat, weil er neues Leben im Menschen ist, auch eine thätige Seite (Form. Conc. sol. decl. Art. IV pag. 625, 626), und so können wir sagen, der Glaube ist, nach dieser Seite hin betrachtet, wesentlich eins mit der Liebe. Das ist wichtig für den Nachweis der wesentlichen Einheit des christlichen Lebens. Das Christenleben setzt sich nicht so zu sagen aus verschiedenen Stücken und Tugenden zusammen, sondern die wesentliche Einheit des christlichen Lebens und Verhaltens besteht im Glauben. Alles Leben entspringt aus Lebenskeimen. Beim christlichen Leben ist dieser triebkräftige Keim der Glaube, der sich entfaltet.

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 Nun hat man wohl von drei Kardinaltugenden gesprochen, und man pflegt heute noch mit St. Paulus das Christenleben zu bezeichnen