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wie es z. B. die Treue ist, ersetzt werden kann. Doch kann der Glaube als Grundverhalten des Christen bezeichnet werden (cf. § 40). Wenn von Tugend geredet wird, muß es immer geschehen im Zusammenhang mit ihrem stetigen gottgegebenen Lebensgrund samt den objektiven Mitteln (wodurch ihr immer neuer Zufluß an Lebenskräften zu teil wird), mit der Person des Gebers (woraus sich ihr urkräftiges Motiv ergibt: die dankbare Gegenliebe), mit den Gemeinschaften, denen der Christ angehört (Kirche, Menschheit), mit der eigenen schwachen und verderbten Natur (woraus sich der stetige Mangel und die immerwährende Bedürftigkeit ergibt, den Lebensgrund und die Lebenskräfte sich von neuem anzueignen durch die subjektiven Mittel im Gebet; andererseits aber die Wachsamkeit), mit der äußeren Norm des Gesetzes (die konkret erscheint in dem Vorbilde Christi und der sie, wenn auch nur annähernd, konform wird, Einheit von Sollen und Wollen), mit der inneren Norm des Gewissens (das seinen vollen Dienst thut, worin die Grundkraft der Tugend besteht), endlich mit dem Lebensziel und der einheitlichen Richtung auf dasselbe und der damit gegebenen Beschränkung. So erscheint die Tugend selbst, nach ihren verschiedenen Lebensseiten betrachtet, als Eine und doch zugleich mannigfaltige, wie das Licht, das sich in den Farben bricht, als ein Komplex von Tugenden und zugleich von Heiligungsgaben. (Die Kardinaltugenden und ihre Bedeutung; die drei christlichen [[[#§ 40|§ 40]]] und die vier der antiken Philosophie [Weisheit, Tapferkeit, Mäßigkeit, Gerechtigkeit].)

 1. Die christliche Tugend ist, sofern die Beziehung zum Heilsgut in Betracht kommt, wesentlich Treue, Apok. 2, 10; Matth. 10, 22; 25, 14–30. Sie besteht wesentlich in der Bewahrung des von Gott Empfangenen, in dessen Kraft sie zur Erreichung des Ziels mitwirkt. Sie ist aber genauer zunächst

 Treue gegen das empfangene Heilsgut. Sie bewahrt dasselbe in der täglichen Aneignung der Rechtfertigung durch den Glauben und bleibt dadurch auf dem Heilsgrund, befestigt sich täglich mehr und wird ihres Heils täglich gewisser und froher (Friede und Freude im heiligen Geist). Sie verwertet dasselbe, d. h. die darin liegenden Kräfte, in der Heiligung zur Erreichung ihres Zieles der Vollendung des Heils. – Sie ist sodann auch

 Treue gegen die von Gott gegebenen Heilsmittel, die objektiven, Wort und Sakrament, wodurch das Heilsgut immer mehr angeeignet wird und immer mehr Heilskräfte wie durch Kanäle dem