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Tugend, die daraus erwächst, ist Strebsamkeit, Eifer und Fleiß für das Gute, welche das „Vorwärts“ zum Losungswort erkoren hat.

 Gegensätzlich entspricht der Hoffnung als Motiv die Furcht, zu verlieren, was man vom Heil besitzt, 2. Joh. 8, die Furcht vor dem das Böse strafenden Gott, Matth. 10, 28; Hebr. 12, 29; der der Richter aller ist, 2. Kor. 5, 10-12; 1. Petr. 1, 17.


5. Die Tugend ein Stand der Vollkommenheit.

 Wo Tugend ist, da ist Vollkommenheit, wenn auch nur relative, weil sie einen Komplex von Tugenden in sich hat und etwas Allseitiges, aber in sich ein harmonisches Ganzes, etwas Geschlossenes ist, ein organisches Gebilde, das sich der Vollkommenheit immer mehr nähert und sie vor- und abbildet. Darin findet sich eine Ähnlichkeit mit Gott, Matth. 5, 48. Es spiegelt sich in der Tugend, auf jeder erreichten und erreichbaren Stufe derselben, Gottes und Christi Eigenschaften und Vollkommenheit, Gottes und Christi Bild. Im Besitz der Tugend erscheint der Christ als der Tugendhafte, als der Treue, Dankbare, Weise, Heilige, Gehorsame, Vollkommene. Und zwar erscheinen diese Eigenschaften in Harmonie, z. B. als gewissenhafte Treue, als gewissenhafter, maßvoller und weiser Eifer, als demütiger und dankbarer Gehorsam (cf. das Leben Jesu).


6. Die Einseitigkeit der Tugend in ihrer konkreten Erscheinung.

 Alle diese Tugenden haben in ihrer konkreten Erscheinung etwas Einseitiges, wobei aber nicht zu übersehen ist, daß die Einseitigkeit bei allen Menschen, beim einen weniger, bei dem andern mehr vorhanden ist. Indes hat die einzelne Tugend immer einen Zusammenhang mit den andern, wie dies am deutlichsten daraus hervorgeht, daß die Gottesliebe nicht sein kann ohne Bruderliebe. Die dankbare Gegenliebe gegen Gott kann nicht ohne Demut sein, in und mit der Dankbarkeit ist die Gewissenhaftigkeit in der Pflichterfüllung, der Gehorsam gegen das Gesetz gegeben, mit der Demut die Wachsamkeit u. s. w.


7. Die Tugenden, Gabe und Ziel des Strebens.

 Alle diese Tugenden beruhen auf geistlichen Gaben und sind selber geistliche Gaben, Heiligungsgaben, die der heilige Geist, je nachdem er will und in dem von ihm gewollten Maße austeilt, und die verschieden sind von den außerordentlichen oder Wundergaben. Die Gaben müssen gegeben sein doch kann man sich derselben befleißigen,