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§ 2.
Die Faktoren des ethischen Verhaltens und das ethische Gebiet.
Gesinnung und That; Motiv; der sittliche Zustand. – Das ethische Gebiet und das relativ Gute.

 Wenn eine That der Norm des göttlichen Willens entspricht, so heißt sie „sittlich gut“ und umgekehrt „sittlich böse“. Es kann aber bei der guten That eine verwerfliche Absicht oder ein verwerfliches Motiv sein. Der sittliche Wert oder Unwert einer guten That hängt also ab von der Gesinnung, von der sie ausging. Es kann die Frucht nicht vom Baum und von seiner Wurzel getrennt werden. Selbst im Bösen fragt man, um den Grad der Verschuldung zu bemessen, nach der Gesinnung, d. h. nach den Motiven, den treibenden Beweggründen, nach der äußeren und inneren Veranlassung und nach den Absichten. Vergleichsweise hat die gute That, auch abgesehen von der Gesinnung, ihren Wert. Das rechte Absehen bei allen Handlungen ist: Gottes Ehre, des Nächsten Bestes, die eigne Vollendung und der eigenen Seele Wohlfahrt; der rechte Beweggrund ist die Liebe zu Gott, zum Nächsten, zu sich selbst. Als untergeordnetes sittliches Motiv, das aber nur in Unterordnung unter das höchste Motiv der Liebe einen sittlichen Wert behält, ist zu nennen die Furcht, die vom Bösen abschreckt, und die Hoffnung auf den Gnadenlohn, die zum sittlich Guten anspornt. Unter den Gesichtspunkt der sittlichen Beurteilung fällt nicht allein des Menschen Thun, d. h. Thätigkeit, wobei er die bewegende Ursache ist, sondern auch das Leiden, wobei der Mensch fremde Einwirkungen an sich, insonderheit dessen, was man Übel nennt, erfährt. Wie sich der Mensch dabei benimmt, kann sittlich gut oder böse sein. Eine Regung oder Bewegung im Guten oder Bösen kann eine vorübergehende sein. Durch fortgesetztes Handeln in Einer Richtung, es sei gut oder böse, bildet sich eine Gewohnheit, und das Gute oder Böse wird zuständlich, habituell; es wird dem Menschen „zur andern Natur“. Sittliche Zustände üben eine große Macht aus über den Menschen; im Bösen wird der Mensch dadurch gebunden; er kann ohne einen besonderen Hebel nicht über sich selbst hinaus. Auf diesem Wege bilden sich Abstufungen im Guten und Bösen, deren es unendlich viele gibt, von den geringsten Anfängen an bis zur höchsten Vollendung.

 Das ethische Gebiet ist zunächst das von Gott Gebotene und Verbotene.