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ist, Jak. 2, 13; Matth. 25, 45. Sie ist ja eine Versündigung gegen das 5. Gebot wider das Leben des Nächsten, wie auch die Leidenschaft des Hasses, des Neides, die schließlich auf den Wunsch hinausgehen, es möchte der andre tot sein. 1. Joh. 3, 15; Matth. 5, 21–22. Dagegen verlangt das Evangelium Versöhnlichkeit, Matth. 5, 23, und heißt Wohlthaten den Feinden erweisen, sie speisen und tränken, Röm. 12, 20.

 Es handelt sich im Vorhergehenden um den Nächsten, sofern er in Not sich befindet. Anders liegt die Sache, wenn er in Not bringt. Hier ist – abgesehen von Verfolgung um Christi und des Evangeliums willen – Notwehr erlaubt. Das Genauere siehe unter Staat.

 c. Es handelt sich beim Nächsten weiter um seine irdische Lebensstellung und zwar:

 Erstens mit Rücksicht auf seinen irdischen Beruf. Der Mensch ist zur Gemeinschaft geschaffen und lebt in Gemeinschaft. Diese ist eine von der Natur gesetzte, die Familien-, Stammes-, Volksgemeinschaft, durch die Geschichte gewordene Rechtsgemeinschaft im Staat. Es handelt sich hier nicht um das Spezifische dieser Gemeinschaften, sondern um das, was ihnen allen zumal eigen ist. Eine jede Gemeinschaft hat in ihrem Schoße mancherlei Gaben und Kräfte und mancherlei Bedürfnisse. Daraus erwachsen mit innerer Notwendigkeit mancherlei Berufsarten und Berufsstellungen, die mit innerer Notwendigkeit auch eine gemeinsame Ordnung und eine gemeinsame Leitung fordern; sonst würde einer den andern stören und in seinen Bereich greifen und es würde dann statt eines gedeihlichen Zustandes eitel Verwirrung und Unordnung sein. Ohne Ordnung und Leitung kann keine menschliche Gesellschaft bestehen. Es muß eine Scheidung der Berufsgebiete der einzelnen und eine Über- und Unterordnung derselben bestehen. Die Grundlage und die Grundzüge dieser Ordnung sind von Gott, der ein Gott der Ordnung ist (1 Kor. 14, 33); in ihren einzelnen Formen sind sie menschliche Ordnungen und Einrichtungen, die Gott um seinetwillen und um der Ordnung willen, welche die Bedingung alles gedeihlichen Lebens ist, gehalten wissen will (1. Petr. 2, 13). Zweck dieser göttlich-menschlichen Ordnung ist die gegenseitige Förderung der Wohlfahrt der einzelnen und der Gesamtheit. Jeder Christ hat sich willig und gehorsam in diese Ordnung, die besteht, zu fügen, nicht allein aus Nützlichkeitsgründen, sondern um des Gewissens willen (Röm. 13, 5). Jeder Christ hat, wie bei sich selbst (§ 49, 2b), so auch bei seinem Nächsten den ihm von Gott angewiesenen Berufskreis und