Seite:Friedrich Bauer - Christliche Ethik auf lutherischer Grundlage.pdf/178

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

und Sündern um (Matth. 9, 11; Luk. 5, 30). Er verwirft die Ehebrecherin nicht (Joh. 8, 11). Er nimmt sich der Verlassenen und Verachteten im Volke an, der Proletarier (Matth. 11, 28). Er ist ein Freund und Liebhaber der Kleinen, der Kinder und Unmündigen (Matth. 19, 13–15; Matth. 11, 25). So groß und allgemein aber seine Liebe ist, so ist sie doch eins mit der Wahrheit. Er scheut sich nicht, die Seinen zu strafen, wo sie es bedürfen (Matth. 15, 16; 16, 8; 16, 23; Luk. 22, 24 etc.). Sein Mund, der von Trost übergeht gegen die Elenden, trifft wie ein zweischneidiges Schwert die Widerwärtigen. Seine Reden voll strafenden Ernstes gegen die Pharisäer und Sadduzäer sind trotz ihrer Schärfe voll erbarmender, rettender Liebe. Sein Reden und Schweigen, das was er redet und wann er redet, resp. schweigt, ist unser heiliges Vorbild für unser Reden und Schweigen. Um das zeitliche Leben seiner Brüder zu fristen, ließ er sich’s viele Mühe kosten, indem er unzählige Kranke heilte; um ihnen aber das ewige Leben zu erwerben, achtete er es nicht zu hoch, sein zeitliches Leben in den Tod zu geben (Joh. 15, 13).

 Die verschiedenen Berufsstellungen in der Welt, die ihm entgegentreten, erkennt er an: die Priester Luk. 17, 14; die Schriftgelehrten Matth. 23, 2 u. 3; die Obersten Matth. 26, 63; die Obrigkeit Joh. 18, 28 etc. Er hält sich in den Grenzen seines Berufes, Matth. 15, 24; Luk. 12, 13–14; Matth. 26, 52; Joh. 18, 36.

 Im geselligen Umgang ist er ebenso frei von finstrer Strenge gegen die Menschen, als von der Gleichstellung mit der Welt, unbekümmert um das Urteil der Menschen. Er ißt mit Zöllner und Sündern, wenn es gilt, sie für sein Reich zu gewinnen (Matth. 9, 10–13). Er geht mit den Jüngern auf die Hochzeit (Joh. 2, 2). Er folgt den Einladungen zu Tisch, nicht allein im Hause Simons des Aussätzigen in Bethanien (Matth. 26, 6), sondern auch bei Pharisäern, so bei Simon (Luk. 7, 40). Er übt die edelste Art der Geselligkeit und Tischgenossenschaft mit seinen Jüngern, vor und nach seiner Auferstehung. Er geht mit den Frauen auf untadelige Weise um, mit Maria und Martha, mit Magdalena, mit den Frauen, die ihm überallhin folgten auf dem Wege und ihm und seinen Jüngern dienten, Luk. 8, 3. Er ist ein unerreichbares Vorbild als der Sündlose in heiliger Zucht und Sitte (Joh. 6, 8). Selbst völlig arm, sorgt er doch für die Armen, und von dem Almosen, das er selbst empfing, gab er wieder (Joh. 12, 6). Jesus ist ein vollkommenes