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fällt. Ist die Ehe Kaiser Heinrichs II. zu verwerfen? Seine Gemahlin Kunigunde machte ihm bei der Heirat zur Bedingung, daß sie als Geschwister beisammen lebten, was er auch einging. Sie ist als unnatürlich zu verwerfen, denn die Ehe macht ein Fleisch und nicht Geschwister. Anders steht die Sache bei einer Heirat im Alter. Bei einer solchen wird doch der erste Zweck erfüllt, der der Hilfeleistung. Die Doppelseitigkeit der Ehe liegt in den beiden Ausdrücken „Ein Fleisch“ und „Eine Hilfe“. Es ist die Ehe ein natürliches, ein sittliches und ein rechtliches Verhältnis. Das natürliche Verhältnis ist dem sittlichen untergeordnet, darum herrscht darin nicht der bloße Naturtrieb, sondern die Vernunft, der freie Wille und das Gewissen, 1. Petr. 3, 7. Dieses Verhältnis ist zugleich auch ein rechtliches, die Ehe ist ein bürgerlicher Vertrag, nach den bestehenden bürgerlichen Gesetzen geschlossen, mit rechtlichen Bestimmungen über Vermögen, Gütergemeinschaft oder aufgehobener Gütergemeinschaft u. dergl. Solche Eheschließung ist Sache der Obrigkeit. Auch eine bloß vor der Obrigkeit geschlossene Ehe ist eine wahre, vor Gott gültige Ehe. Die heidnischen Ehen sind wahre und natürliche sittliche Ehen. Die Eheschließung hat aber auch noch ein höheres Moment, das religiöse. Bei Juden und Christen werden die Ehen eingesegnet.

 In neuerer Zeit besteht teilweise die Tendenz, sich mit der bloß bürgerlichen Eheschließung zu begnügen. Eine sittlich rechtsgültige Ehe kann eine in dieser Weise geschlossene sein, aber eine christliche nicht, wenn sie nicht die christliche Weihe und den göttlichen Segen der Kirche bekommt, wenn nicht eine kirchliche Kopulation folgt. Rechte Ehen sind im Himmel geschlossen.

 d. Die Wesenseigenschaften der Ehe sind:

 1. Die Öffentlichkeit. Darum die öffentliche Verkündigung und kirchliche Proklamation, damit das öffentliche Urteil, wenn keine Einsprache erfolgt, das zu schließende Bündnis als ein sittliches erkennen und anerkennen könne. Es gibt heimliche Ehen, Winkelehen, die sind mit dem Makel des Unerlaubten behaftet, auch wenn sonst völlige gegenseitige Treue geübt wird (Pflichtehen). Man wird letztere milder beurteilen – namentlich wenn große äußere Hindernisse der Eheschließung bestehen (was in unsern Tagen nicht mehr der Fall ist) – aber nicht dulden.

 2. Die Unauflöslichkeit für die Lebenszeit. Matth. 19,6: „Was Gott zusammengefügt, das soll der Mensch nicht scheiden.“