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 Der einzige Ehescheidungsgrund, den der HErr gelten läßt (es gibt demnach doch einen, während die römische Kirche dies leugnet), ist die geschehene Hurerei, Matth. 19, 9; 5, 31. 32. Jede andre Scheidung ist Ehebruch. Die Ehe ist vor Gott unauflöslich. Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden, Matth. 19, 6. Die Hurerei ist thatsächliche Scheidung durch Schuld des einen oder andern Teils oder beider, 1. Kor. 7, 10. Als zweiter Scheidungsgrund ist in der Praxis der lutherischen Kirche aufgekommen derjenige der sogenannten desertio malitiosa. Man berief sich dabei auf 1. Kor. 7, 7–17. Was diese Stelle anlangt, auf welche man also das Recht der Scheidung bei desertio malitiosa gründen will, so ist vor allem nicht zu übersehen, daß es sich hier nur um eine kasuelle Frage handelt, mithin die Antwort des Apostels nicht ohne weiteres verallgemeinert werden darf.

 Der Fall ist dieser: eine ursprünglich heidnische Ehe wird durch den Übertritt des einen Teils eine gemischte. Da konnte die doppelte Frage entstehen: einmal, ob dem christlichen Ehegatten die Fortsetzung der Ehe mit dem heidnisch gebliebenen gezieme; sodann, wie der christliche Ehegatte sich zu verhalten habe, wenn der heidnische die Fortsetzung der Ehe verweigerte?

 Was die erste Frage anlangt, so erklärt der Apostel, daß die Verschiedenheit der Religion die Ehe nicht aufhebt und daß der christliche Ehegatte das Verhältnis wohl fortsetzen könne, da durch die Christlichkeit des einen Teils das eheliche Verhältnis überhaupt geheiligt ist. Von dem christlichen Teil soll also unter keinen Umständen die Scheidung ausgehen. Dagegen wenn der heidnische Ehegatte die Fortsetzung der Ehe verweigert, so kann und soll der christliche Teil diesen nicht hindern, sondern ihn ziehen lassen in Frieden.

 Bis dahin ist des Apostels Bescheid klar und die Schwierigkeit erhebt sich nun erst bei dem Wort οὐ δεδούλωται Die einen fassen das Wort gleich οὐ δέδεται und sehen in diesem Wort die Erlaubnis zur Wiederverheiratung für den vom heidnischen Gatten böslich verlassenen Eheteil. Andre dagegen bestreiten diese Fassung, weil durch sie weder der eigentliche Begriff von δεδούλωται noch der Sinn von ἐν τοῖς τοιούτοις zu seinem Rechte kommt, und übersetzen ihrerseits: „in solchen und ähnlichen Fällen“, nämlich: wenn es sich um ein dem natürlichen Leben, der irdischen Zeitlichkeit angehörendes Verhältnis handelt, ist der Christ nicht geknechtet, d. h. es ist für ihn keine sittliche Notwendigkeit,