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dem einen oder dem andern Stand anzugehören (oder besser, da er irgend einem Stand angehören muß: in dem betreffenden, da er sich befindet, zu bleiben). Für die Erreichung des himmlischen Berufs ist es gleichgültig, in welchem Stande oder in welcher äußern Lage er lebt. So gefaßt enthält dann die Stelle zunächst nicht die Erlaubnis zur Wiederverehelichung, sondern nur die Beruhigung für den christlichen Teil, daß er mit gutem Gewissen in die von ihm nicht veranlaßte und verschuldete Trennung von dem heidnischen Ehegatten willigen kann. Ist aber die Scheidung vollzogen, so liegt das Recht der Wiederverehelichung in der Konsequenz der Ausführung c. 7, 17. Wir stehen ja auch mit v. 12 τοῖς δὲ λοιποῖς auf einem ganz anderen Gebiet als in dem Abschnitt v. 10–11; hier handelt es sich um rein christliche Ehen, dort um gemischte. Mit dem auffälligen οὐ δεδούλωται scheint der Apostel andeuten zu wollen, daß die Ehe immerhin auch ein rechtliches Vertragsverhältnis, so daß der betreffende veranlaßte Teil eine Willenserklärung abgeben kann.

 Im Vorstehenden ist der Fall einer gerichtlichen Scheidung angenommen. Ähnlich wird es sich verhalten bei gewaltsamer Lösung des Verhältnisses ohne Beachtung rechtlicher Formalitäten – dies die eigentliche „bösliche Verlassung“ –, wenn auch die faktische Trennung irgendwie wird konstatiert werden müssen. Wenn in solcher Weise der ungläubige Teil sich scheidet, ist der betreffende christliche Teil nicht gehalten, das Verhältnis der Ehe als für ihn noch weiter bestehend anzusehn, eben weil der Ehebund auch ein Vertragsverhältnis ist. Hätte aber der Christ sich noch für gebunden zu achten, wo der andere Teil thäte, wie er wollte, so fände er sich dadurch in den Stand eines Sklaven versetzt durch den Eheschluß, was doch nicht der Fall war.

 Die Frage ist nun die, inwieweit der hier vorhandene Fall auf unsere Verhältnisse Anwendung findet. Man wird die Anwendbarkeit des apostolischen Bescheids auf diejenigen Fülle beschränken müssen, wo die Ehe durch ausdrücklich erklärten oder thatsächlichen Abfall des einen Teils vom Christentum jenen korinthischen Ehen gleichkommt. Das ist der Fall:

a. beim Übertritt des einen Ehegatten zum Judentum, Islam oder Heidentum. – Nur in gewissem Sinn
b. bei der Exkommunikation des einen Eheteils. Wer aus der Kirche ausgeschlossen und nicht wieder mit ihr in Gemeinschaft zu treten sucht, ist ein Heide und Zöllner, Matth. 18, 17, und