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geistliche Vollendung der Familie kommt darin zum Ausdruck, daß aus ihr eine Hausgemeinde, eine ecclesia Christi im kleinen wird. Freilich kommt oft durch ein einziges Glied ein trauriger Kontrast in die Familie, wenn sich eine Feindschaft wider Christum entwickelt, Matth. 10, 35. 36. Daran zeigt sich, daß die Gnade über der Natur steht und das ewige Leben wichtiger als das zeitliche und die geistliche Verwandtschaft mächtiger und wichtiger als die leibliche ist. (Innere Geschichte der Familie Jakobs; die Brüder des HErrn, Joh. 7. und Act. 1.)

 4. Die Organisation der Familie.

 Das Verhältnis der Familienglieder zu einander ist ein von Gott gesetztes und gegliedertes. Die Glieder stehen zu einander im Verhältnis der Unter-, Über- und Gleichordnung. An die Familienglieder im engern Sinn schließen sich helfend und somit untergeordnet oder im verwandtschaftlich engeren, häuslich loseren Bande die Familienglieder im weitern Sinn an.

 a. Das Verhältnis der Kinder zu den Eltern ist ein Verhältnis der Unterordnung. Es beruht einesteils natürlich darauf, daß die Kinder den Eltern ihr Leben und ihre Erziehung verdanken, andernteils auf der Würde und Majestät (Luther, Großer Katechismus, pag. 416), die Gott den Eltern gegeben, demgemäß sie Gottes Stelle auf Erden in ihrem Hause vertreten. Darauf gründet sich das 4. Gebot: „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren“, d. h. sie in der ihnen von Gott gegebenen Würde anerkennen und sie nach dem Maß derselben hoch und teuer achten. (Löhe, Hausbuch I, 4. Gebot). In Ehren halten aber heißt: „mit Werk und Benehmen beweisen, daß man jemand im Herzen ehrt“. Auf dieser Ehrerbietung, also auf göttlichem Grunde, ruht der Gehorsam der Kinder, welcher die Befehle der Eltern ausführt, sowie das Dienen, das „allewege, auch ohne Befehl, den Eltern zu willen ist und zu Gefallen lebt“, Eph. 6, 2 und 3 (Salomo, 1. Kön. 2, 19). Die Pflicht des „Lieb- und Werthabens“ bezieht sich vorzüglich auf die unzähligen und unschätzbaren Wohlthaten, welche die Kinder den Eltern verdanken und welche eine entsprechende Gegenleistung, vor allem aber Gegenliebe erheischen. Die kindliche Liebe ist pietas, eine Art Religion, weil sich in dem Verhältnis der Kinder zu ihren Eltern das Verhalten Gottes zu seinen Kindern wieder abspiegelt. Die kindliche Pietät und Liebe ist einer der mächtigsten Antriebe zum Guten und Göttlichen, wie eine der mächtigsten Schutzmauern gegen das andringende Böse. Sie ist für