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Das Böse schafft sich schon sowieso Raum. So ist es wenigstens besser, daß sich auch das Gute in einem Land frei bewegen kann. Die Schrift läßt die Form der Verfassung frei, Röm. 13, 1. Wenn das christliche Königtum nicht als ein theokratisches, gleich dem alttestamentlichen, gefaßt wird, so daß die Verhältnisse, Rechte und Verpflichtungen des Alten Testaments unmittelbar auf Verhältnisse unter dem Neuen Testament übertragen werden, sondern wenn das christliche Königtum als eine Art freier Nachbildung der alttestamentlichen Theokratie gefaßt wird, hat es etwas durchaus Gesundes und Förderliches. Es gibt eine ideale christliche Auffassung derselben (s. Hunnius, Glaubenslehre pag. 91 Anm.).

 In der inneren Einrichtung eines Volksgemeinwesens erheischen besondere Beachtung die verschiedenen Stände (Bevölkerungsklassen), die im Leben eines Volkes sich zu bilden pflegen: Adelsstand, Bürgerstand (Handelsstand und Stand der Gewerbetreibenden), Bauernstand; hiezu ist in der letzten Zeit noch ein vierter Stand getreten, der der „Arbeiter“, d. h. der in den größeren (industriellen) Betrieben angestellten Lohnarbeiter. Die Interessen der einzelnen Stände sind verschieden; es gilt eine Ausgleichung und Verständigung derselben zu finden, wenn nicht das Ganze Schaden leiden oder gar der Auflösung verfallen soll.

 Hinsichtlich des Vermögens unterscheidet man den Stand der Besitzenden, den Mittelstand, den der Besitzlosen (Proletarier). Die Erhaltung eines Mittelstandes ist für die Gesundheit des Volkslebens wichtig. Der Sozialismus sucht durch Wort und That (Verelendungstheorie, Agitation, auch im Parlament) auf die Vernichtung desselben hinzuarbeiten. Eine Katastrophe wäre dann nicht mehr zu hintertreiben. Der Sozialismus strebt an die politische Herrschaft der Arbeiterklasse. – Im Hintergrund zeigt sich bereits jene Richtung, welche seine Erbschaft antreten will: der Anarchismus, die Verneinung jeder Obrigkeit und göttlichen Ordnung. Die Entstehung solcher auflösender Richtungen ist durch gewisse im Leben der Völker und Staaten vorhandene Schäden veranlaßt.

 6. Es entsteht weiter die Frage: Was ist an dieser Ordnung im Staat göttlich? Man muß sagen:

 a) Die Ordnung selber und

 b) die Handhabung derselben, abgesehen von den Ordnungsbestimmungen, Röm. 13, 2: wer der Obrigkeit widerstrebt, der widerstrebt Gottes Ordnung; ferner

 c) die Grundzüge aller bürgerlichen Ordnungen, die durchaus auf ethischer Grundlage, im wesentlichen auf den zehn Geboten