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allgemeinen Liebe, womit im Gegensatz zu der des Christentums baren Humanität ausgesprochen ist, daß die allgemeine Menschenliebe ein Ausfluß des Christentums ist. Aus „Christen“ Menschen werben, wie Schiller wollte, ist mithin Thorheit. Je besserer Christ, desto besserer Mensch und Menschenfreund. So gewiß Christus, der Menschensohn, das menschliche Ideal in seiner höchsten Verklärung ist, so gewiß ist das Christliche zugleich das wahrhaft Menschliche, das heißt: so gewiß wird die Idee des Menschentums nirgends anders als im Christentum realisiert.

 Innerhalb dieses weitesten Kreises fällt auch das sonderliche Verhältnis, in welches ein Mensch durch persönliche Neigung und gegenseitige Anziehungskraft zum andern treten kann, nämlich das Verhältnis der Freundschaft; denn auch dieses Verhältnis ist ein rein menschliches von Mensch zu Menschen als solchem. Es können Freunde Glaubensbrüder, leibliche Brüder sein, aber sie müssen es nicht sein. Das Freundschaftsverhältnis ist von allen sonstigen Näheverhältnissen, als verwandtschaftliche Beziehungen, Gemeinsamkeit des Glaubens, Gleichartigkeit der politischen Überzeugung u. s. w., unabhängig; denn es ruht auf der Anziehungskraft, welche der persönliche Wert des Menschen als solcher für den andern hat (der hl. Basilius hatte einen Freund, der ein Jude war). Freundschaft ist eine Sache freier Zuneigung, im Gegensatz zur Nächstenliebe, für deren Erweisungen die göttliche Fügung der Umstände, welche den Menschen mit dem Menschen zusammenführen, maßgebend ist. Das leuchtendste Beispiel von Freundschaft stellt der Bund Jonathans und Davids dar. Christus nennt sich den Freund seiner Jünger und die Jünger seine Freunde, Joh. 15, 13; 13, 23. Aber einen sittlichen Wert muß der Freund haben, wenn er von dem andern als Freund angesehen werden soll. Dem Freundschaftsverhältnis gehen freilich viele andere Verpflichtungen und Verhältnisse vor. Das thut indessen dem Freundschaftsverhältnis keinen Abbruch; denn es ist ein stetiges und geht nicht in einzelnen Betätigungen auf. Ein Freund schuldet dem andern Wahrheit; zwischen sittlich schlechten Menschen kann es keine Freundschaft geben.

 Eine Erweiterung des Freundschaftsverhältnisses sind die freien Assoziationen, die sich die Verfolgung bestimmter, allgemein menschlicher Zwecke zur gemeinsamen Aufgabe gemacht haben. So kann es wissenschaftliche Sozietäten geben, die gemeinsam wissenschaftliche Forschungen anstellen, oder Gesellschaften gegründet für gemeinsame künstlerische, philanthropische Bestrebungen. Hier ist es weniger die Zuneigung der Personen zu einander, was verbindet, sondern das gemeinsame Interesse für einen