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spezifisch Volkstümlichen in Israel ab und versetzt künstlich den Leser in eine weit zurückliegende Zeit, in die Zeit der Patriarchen, und bringt ein allgemein menschliches Problem zur Erörterung: die Frage nach dem Verhältnis der Leiden des Frommen zur göttlichen Gerechtigkeit.

 Die Sprüche Salomonis sind Ergebnisse der nachdenkenden Beobachtung des natürlichen Lebens und seiner Verhältnisse mit Absehen von dem spezifisch Religiösen. Salomos Wissenschaft war eine vorzugsweise weltliche. Er redet von dem Ysop, der aus der Wand wächst, bis zur Ceder auf dem Libanon. So sehen wir selbst beim Volk Israel, bei welchem Natürliches und Geistliches, Volkstümliches und Religiöses sich sonst durchdrang aus dem Grunde, weil hier das Reich Gottes in Gestalt eines Volkes zur Darstellung kam, im Lauf seiner Geschichte eine Periode eintreten, wo das Recht des allgemein Menschlichen und Natürlichen erkannt und anerkannt wird.

 Es gehört also die Kunst zu der dem Menschen gestellten Aufgabe der Weltbeherrschung und Weltaneignung, die bildende wie die dichtende und darstellende, die Malerei wie die Musik. Die Kunst eignet sich die Weltstoffe an, durchdringt sie aber mit dem Geist, mit der Idee, und gestaltet so den Stoff zu einem Kunstwerk. Die Kunst ist die höchste Steigerung menschlicher Thätigkeit. Sie ist in der That eine Art Schaffen, wie denn auch gerade von den Leistungen auf dem Gebiet der Kunst dieser Ausdruck gebraucht wird. An dem Künstler tritt uns recht augenscheinlich die anerschaffene Gottesebenbildlichkeit des Menschen – allerdings nach einer einzelnen, aber wichtigen Seite – entgegen: dem Schöpfer ähnlich bringt er seine eigenen Ideen schöpferisch in der sichtbaren Welt und mit den Mitteln, welche diese ihm darbietet, zur Darstellung und verleiht ihnen ein gewisses Dasein in seiner eigenen Welt. Die Kunst ist mit der Wissenschaft insoferne verwandt, als ja alles Können ein Wissen voraussetzt. Der Künstler muß die Gesetze seiner Kunst kennen und andernteils nimmt auch das Wissen, wenn es nicht nur roh aufgehäufter Wissensstoff bleiben, sondern ein systematisches Ganzes werden soll, auch die Natur eines Kunstwerkes an. Sonst ist freilich Wissenschaft und Kunst insofern unterschieden, als der wissenschaftliche Forscher nichts sucht als die Wahrheit, und zwar in Form der Wirklichkeit, während die Kunst kein bloßer Abklatsch der Wirklichkeit ist. Die Kunst idealisiert die Wirklichkeit, sie faßt das wirklich Existierende im Licht seiner göttlichen Idee und Bestimmung auf und damit erhebt sie sich über die schlechte Wirklichkeit. Sie stellt das Seiende