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sich frei bewegen, über die man aber nicht hinausgehen darf, weder zur Rechten (in harter Haltung des Körpers) noch zur Linken (Übermaß des Genusses).

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 Die Ansicht Wuttkes ist: Erlaubt ist, was weder geboten noch verboten ist, dessen Begehung keine Sünde und dessen Unterlassung auch keine Sünde ist. Vgl. Apologie der Augustana, Müller pag. 275, 21: darin weder Sünde noch Gerechtigkeit zu suchen ist. Conc. Form. pag. 551, 2. 697. Die biblische Begründung liegt in Gen. 2, 16 und 17: Du sollst essen von allerlei Bäumen etc.; 1. Kor. 7, 27: Bist du los vom Weibe, so suche kein Weib, so du aber freist, so sündigst du auch nicht; Akt. 5, 4: Ananias konnte den Acker behalten, und da er ihn verkauft hatte, konnte er mit dem Gelde auch thun, was er wollte; 1. Kor. 9, 5: Paulus hat die Macht, eine Schwester zum Weibe mit herumzuführen und kann es lassen; 1. Kor. 9, 4: Wir haben Macht zu essen und zu trinken; 1. Kor. 9, 6: Paulus hat das Recht, sich von der Gemeinde erhalten zu lassen; Röm. 14: Der Christ kann in Speise, in Wertung von Tagen einen Unterschied machen oder auch keinen; ferner in Matth. 20, 15: Die Verwendung des Gutes ist frei. Von allen solchen Dingen gilt: es ist erlaubt; 1. Kor. 10, 23. Hier hat der Christ freie Wahl. Hier entscheiden persönliche Neigungen und persönliche Gründe. Diesen freien Spielraum innerhalb der 10 Gebote bedarf der Mensch, um seine persönliche Freiheit zu bethätigen und sich derselben bewußt und ihrer froh zu werden, also zu seiner sittlichen Entwickelung. Darum ist sie auch von Gott gewollt; ja man wird sagen dürfen: Gott freut sich, wenn er einen Menschen sieht, der seine Freiheit recht gebraucht. Auf diesem Wege bekommt jedes Leben eine eigentümliche Gestalt, die jeder auf andere Weise ausprägt. Daß der Christ diese Freiheit nicht mißbrauchen darf, um das Fleisch zu stärken, versteht sich von selber, Gal. 5, 13; 1. Petr. 2, 16. Je mehr ein Christ befestigt ist im Guten, desto mehr erweitert sich ihm das Gebiet des Erlaubten einerseits, aber andrerseits verengert sich ihm dasselbe, weil er der irdischen Freuden nicht mehr bedarf und auch nicht darnach Verlangen trägt. Der Unmündige braucht am meisten Beschränkung und deshalb ist auch im Neuen Testamente, im Zeitalter der Mündigkeit mehr Freiheit als im Alten unter dem Gesetz, Gal. 4, 3. (Die scheinbar größere Freiheit in manchen Dingen im A. T. ist nur eine Nachsicht, ein Übersehen, eine Konzession, Matth. 19, 8, das ist ein Mangel an sittlicher Vollkommenheit, der aus pädagogischen Gründen