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Traurigkeit nimmt täglich ab, meine Freude kann täglich vollkommener werden (Löhe), Joh. 16, 20; Phil. 4, 4; 3, 1. Freuet euch in dem Herrn allewege.


§ 69.
Die göttliche Leitung auf dem Gebiet der individuellen Freiheit für den einzelnen Christen.

 Daß der Mensch freien Spielraum hat nach Gottes Willen für seine Bewegung auf einem bestimmten, wohlbegrenzten Gebiet und doch von Gott dabei geleitet wird, widerspricht sich nicht. Die Leitung Gottes besteht eben nicht in beständigen Geboten und Verboten, welche die freie Wahl und Selbstbestimmung aufheben, sondern in Formen und Weisen, welche der gelassenen freien Entscheidung entsprechend sind. Wie die Eltern ihren erwachsenen und mündigen Kindern ihren Willen nicht gebietend kundthun, aber doch Wink und Weisung geben, was ihnen lieb und angenehm wäre, so gibt auch Gott seinen Kindern, zumal den mündigen, auf dem Gebiet der individuellen Freiheit nicht bestimmte Befehle und Verbote für die einzelnen Fälle, sondern überläßt ihnen die Anwendung seiner allgemeinen Anordnungen und Gebote, und wo sie unsicher und zweifelhaft sein könnten und einer Weisung und eines Rates bedürfen, da ist er zur Hand und erntet Liebe und Dank dafür. Denn es ist hier nicht von solchen Christen die Rede, die noch mit der Schärfe des Gesetzes müssen regiert werden, sondern von wiedergebornen und erneuerten Christen, in denen der Geist Gottes regiert, Röm. 8, 14, die von Gott mit seinen Augen geleitet werden können, Ps. 32, 8. Die andern sind wie Lasttiere, die man mit starker Hand und mit Gewaltmitteln lenken muß, Ps. 32, 9. – Die göttliche Leitung geschieht auf mancherlei Weise und ist ganz dem individuellen Bedürfnis angepaßt. Die Freien leitet Gott auf freie Weise.

 1. Die göttliche Leitung in den inneren und äußeren Lebensführungen.

 Gott gibt seinen Willen und seine Absichten, die er mit dem einzelnen hat, zu erkennen durch äußere und innere Lebensführung. Wo der Mensch nicht weiß, was ihm gut und heilsam ist auf dem Wege zum ewigen Leben und er oft aus Mangel an richtiger Erkenntnis seiner selbst und der Verhältnisse einen verkehrten Weg einzuschlagen im Begriff ist, stellt ihm Gott Hindernisse entgegen (Bileam, Num. 22, 24), um sein Nachdenken zu erwecken und ihn zur Prüfung seines Weges aufzufordern. Oft schickt Gott eine Menge günstiger Umstände,