Seite:Friedrich Bauer - Christliche Ethik auf lutherischer Grundlage.pdf/277

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

braucht aber keine so starke Empfehlung als der ehelose, da ja jener im Zug der leiblichen Natur begründet ist, dieser aber eine Stärke des Geistes fordert, um die Natur zu überwinden. Ist es richtig, daß das, was der Apostel sagt, eine Lobrede auf den ehelosen Stand ist, eine Empfehlung desselben, so ist es hinwiederum in dem einzelnen Fall auch keine Verletzung einer Pflicht, keine Sünde, wenn ein Mensch das, was ihm am besten ist, nicht thut. Wohl kann es ein Fehler sein, eine Verkehrtheit, eine Thorheit, durch Umstände auch zur Sünde werden wie alles Erlaubte, aber an sich ist es keine Sünde, es müßten denn besondere Umstände eine Sünde daraus machen.

 War es des Apostels Pflicht, daß er das Evangelium umsonst verkündigte, wie Wuttke (I, 396) meint? Nein. Es war keine Pflicht, die ihm der HErr auferlegte, vgl. 1. Kor. 9, 6. Er hatte das Recht, es anders zu machen. Es ist eine Verbindlichkeit, eine Pflicht, ein Gesetz, das er sich aus freiester Wahl selbst auferlegt, und das ist sein Ruhm, sein Lohn, sein Voraus, nicht als wenn der Gebrauch seines Rechtes ein Mißbrauch seiner Freiheit gewesen wäre. Ihm für sich kam es so vor, da er nach seiner Individualität und unter seinen Umständen als Heidenapostel einen besseren Weg und besseren Gebrauch seiner Freiheit gefunden hat. Es erscheint ihm als eine innere Nötigung, so zu handeln, und doch ist er sich bewußt, daß er damit nur von seiner Freiheit, nach der anderen Seite, der des Verzichtes hin, Gebrauch macht und daß er dazu das volle Recht hat, wie zum Gebrauch nach der anderen Seite hin. Er würde nicht gesündigt haben, wenn er Gaben zu seinem Unterhalt angenommen hätte, er thut es ja auch nach Phil. 4, 10 ausnahmsweise und macht also nach Umständen von seinem Recht nach der entgegengesetzten Seite hin Gebrauch. Hat er da seine Freiheit mißbraucht, seine Pflicht verletzt? Nein, er wahrt sie nach beiden Seiten hin und bleibt doch seinem Vorsatz treu und sich selbst, er muß nicht so thun, er soll nicht so thun; er will so thun, weil er Herr seiner selbst ist. Und für solche Leute, die das zu fassen vermögen, gilt sein Rat. Es ist eine seelsorgerliche Belehrung und Aussprache.

 Die Empfehlung des ehelosen Standes muß vor allen aus pädagogischen Grundsätzen geschehen. Man muß die Jugend nicht für die Ehe, sondern für den ehelosen Stand erziehen; macht man es umgekehrt, so ist sie für den ehelosen Stand verdorben; ist sie nach paulinischen Grundsätzen erzogen, so paßt sie für beides, für den ehelosen