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mittelalterlicher Askese kommen. Die Strenge der Richtung hat jeder bei sich, die Weitschaft des Urteils bei andern anzuwenden.

 Versuche, für die Ethik ein Prinzip aufzustellen, sind mehrere gemacht worden. Es liegt uns Evangelischen nahe, den Glauben als Quelle des neuen Lebens zum Prinzip der Ethik zu machen. Harleß hat die Wiedergeburt, Sartorius hat die Liebe als Prinzip aufgestellt; Frank: Das Werden des Menschen Gottes; Culmann: Die Gottesebenbildlichkeit; und letztere nehmen auch wir an als ethisches Prinzip. Die Gottesebenbildlichkeit als ethisches Prinzip aufgestellt, gewährt den Vorteil, daß der Stoff, der von der Dogmatik herübergenommen werden muß, hiebei seine entsprechende Stellung im systematischen Ganzen findet; denn die Gottesebenbildlichkeit ist der Anfang der Entwicklungsgeschichte des Menschen, führt uns also zurück bis auf die Schöpfung. Die Darstellung des göttlichen Ebenbildes ist in Christo zuerst verwirklicht, mithin gehört auch das Leben Christi hierher; der Anfang der Wiederherstellung ist gemacht in der Wiedergeburt u. s. w. Daraus ergiebt sich folgende Gliederung der Ethik:

I. Die ursprüngliche Gottesebenbildlichkeit des Menschen.
II. Der Verlust des göttlichen Ebenbildes.
III. Die dem Menschen gebliebenen Kräfte und Reste des göttlichen Ebenbildes.
IV. Das Gesetz als das vom Menschen zu verwirklichende Ebenbild Gottes in Gestalt einer an ihn herantretenden äußeren Forderung.
V. Das göttliche Ebenbild verwirklicht in der Person Jesu Christi.
VI. Die Hineinbildung des göttlichen Ebenbildes in den Menschen (Wiedergeburt) und die Umgestaltung des Menschen in der Heiligung.
VII. Die Ausgestaltung des göttlichen Ebenbildes im Menschen in seinem Verhältnis zu Gott und zum Nächsten (in der Familien-, Ehe-, Volks-, Staats-, Menschheits- und Kirchengemeinschaft).
VIII. Die individuelle Ausprägung des göttlichen Ebenbildes in der Lehre von der individuellen Freiheit des Christen.
IX. Die Ausgestaltung des göttlichen Ebenbildes durch das uns von Gott auferlegte Kreuz und Leiden.
X. Die Vollendung des göttlichen Ebenbildes in der Herrlichkeit und Seligkeit.